Celine Winter arbeitet für ein US-amerikanisch/schweizerisches Family Office, die W5-Group. Sie ist für das Business Development in Europa verantwortlich und pendelt für ihren Job zwischen den USA, Deutschland und der Schweiz. Wir sprechen mit ihr darüber, wie es ist, in einem Familienunternehmen zu arbeiten und welche Ansprüche die Generation Z an Immobilien hat.
Celine, Du bist für ein Familienunternehmen tätig. Inwiefern ist das anders als für ein Unternehmen zu arbeiten, das keine Familienstrukturen hat?
Mein Vater, Ralph Winter, hat das Unternehmen gegründet, und ich bin vor etwa 3,5 Jahren in die Firma eingestiegen. Als Teil der zweiten Generation übernehme ich nun Schritt für Schritt mehr Verantwortung. In einem Familienunternehmen zu arbeiten bedeutet für mich nicht nur eine berufliche, sondern auch eine persönliche Verpflichtung. Die Entscheidungen haben oft einen langfristigen Horizont und sind stark werteorientiert – wir denken in Generationen, nicht nur in Quartalen. Das bringt eine andere Dynamik und engere Bindung zum Unternehmen mit sich, als es in Unternehmen ohne familiäre Strukturen der Fall wäre.
Mit was beschäftigst Du dich als Director of Business Development der W5 Group?
Ich versuche unser Geschäft nach vorne zu bringen. Bisher waren wir als Family Office tätig. Mein Vater hat darauf geachtet, Investitionen für die Familie vorzunehmen. Vor einiger Zeit haben wir uns Gedanken gemacht: Wie geht es weiter? Wir haben uns dazu entschieden, uns anderen Family Offices zu öffnen und ihnen Zugang zu unserer Expertise zu bieten, da wir so erfolgreich waren. Unser Fokus liegt dabei auf Immobilien in den USA. Dort verfügen wir über einen guten Track Record, und dort haben wir auch unser Team vor Ort.
Cool, das funktioniert? Da sprecht Ihr einfach die anderen Familien an, und die sagen, wir sind dabei?
Viele europäische Familien haben Lust auf Investitionen in den USA, insbesondere im Bereich Immobilien. Die haben keine Brücke dahin, keinen Ansprechpartner vor Ort. Da kommen wir uns Spiel und sind die Partner in den USA. Unser Vorteil ist, dass wir die gleichen Interessen und Ansichten haben. Wir achten auf die gleichen Themen. Beispielsweise befassen wir uns viel mit ESG. Ich habe Nachhaltige Wirtschaft studiert. In vielen Familien, in denen die 2. und 3. Generation aktiv ist, ist das ein wichtiger Aspekt. Und genau das ist unsere Value Proposition.
Du befasst dich u.a. mit Immobilien für die Generation Z. Wie unterscheiden sich die von anderen Immobilien?
Immobilien für die Generation Z unterscheiden sich immens von Immobilien für andere Zielgruppen. Bei Menschen der Generation Z ist Flexibilität enorm wichtig. Junge Menschen wollen keinen Mietvertrag für die nächsten 15 Jahre eingehen. Nach Covid haben sie das Gefühl: Das Leben kann sich jederzeit komplett ändern, und wer weiß, wohin mich das so spült? Wir bieten Mietverträge über 3 bis 6 Monate an. Außerdem sind unsere Wohnungen alle möbliert. Sie sind ausgestattet wie 4-Sterne-Hotels.
Wie schafft Ihr es, dass Eure Mieter ihre Zimmer verlassen und miteinander ins Gespräch kommen?
Wir tun einiges, um unsere Kunden zu motivieren, auch mal ihr Zimmer zu verlassen und die anderen Mieter kennenzulernen. Aktuell haben wir beispielsweise ein Objekt in Miami mit Roof Top-Pool, Gym und Co-Working-Places. Wir fokussieren uns auf den operationalen Ansatz. Wir versuchen in unseren Gebäuden ein Ökosystem für unsere Mieter zu bieten, wo sie zum Beispiel zusammen kochen oder sonst etwas unternehmen können. In einem Objekt führen wir z.B. gerade ein Yoga-Event durch. Um zu wissen, was unseren Mietern gefallen könnte, ist es wichtig, dass wir sie gut kennen. Deshalb lassen wir unsere Mieter immer einen Fragebogen ausfüllen. Sie teilen sich zu zweit oder dritt ein Wohnzimmer. Schlafzimmer und Bad sind privat und mit einer App abschließbar.
Wollen die jungen Leute nicht selbst eine Wohnung kaufen und darin wohnen?
Die Zinsen in den USA sind zwar etwas gefallen, aber sie sind immer noch hoch. Ohnehin sind die jungen Menschen heute nicht mehr so fokussiert darauf, sich möglichst früh die erste eigene Wohnung zu kaufen. Sie wollen nicht so viel Geld für Materielles ausgeben, sondern investieren lieber in Abenteuer und Erlebnisse, etwas, das sie mental bereichert.
Gibt es auch Gender-Unterschiede bei Immobilien-Bedürfnissen?
Ich glaube, die Generationen-Unterschiede sind größer. Aber Frauen lieben unsere shared-living-Objekte, wo man sich Wohnzimmer und Küche teilt. Dort fühlen sie sich sicher. Viele Frauen mögen es nicht, ganz alleine in einer großen Wohnung zu schlafen. Sie schätzen es, wenn es ein wenig facilitated wird, dass man andere Menschen kennenlernt, dass man vielleicht auch Hobbies miteinander ausübt. Wir sind sehr darauf bedacht, dass sich die Menschen in unseren Apartments wohlfühlen und sie die Einrichtung schön und praktisch finden. In diese Richtung bekommen wir auch viele Komplimente; vielleicht liegt das auch an der weiblichen Handschrift der Einrichtung.
Du spricht das Generationenthema an. Was ist generell zur Generation Z zu sagen?
2030 wird die Generation Z etwa 75% der arbeitenden Bevölkerung ausmachen. Das bedeutet, dass sie eine starke Kaufkraft-haben wird. Viele sagen, dass die jungen Leute in gewisser Weise sparsam sind. Anbieter müssen sich also anders aufstellen, weil die Generation Z ihr Geld für andere Dinge ausgibt als die Generationen davor. Sie hat andere Werte und ist bereit, z.B. für Nachhaltigkeit und ESG mehr zu zahlen. Das müssen Anbieter berücksichtigen.
Von der Generation Z hört man, dass es in den USA einen ziemlichen Hype um TradWifes gibt. Ist das nicht ein Schritt zurück?
Ich arbeite in beiden Regionen, sowohl in Europa als auch den USA. Und in den USA habe ich viel mehr mit jungen Frauen, und mit Frauen überhaupt, zu tun als mit Männern. Mit TradWifes habe ich hier wenig Berührungspunkte.
Aber es ist ja so, dass Frauen ganz unterschiedliche Talente und Lebenswünsche haben. Ich habe Freundinnen, die sind mit 25 Mama geworden, der Mann arbeitet, und sie sind glücklich. Andere streben an, in einem Unternehmen ganz an die Spitze zu kommen. Das ist doch beides gut!
Wie sieht es aus mit Gendergerechtigkeit in den USA?
Das Gute ist: In den USA bekommt jeder eine Chance, und dann muss man sich beweisen. Wenn man sich bewiesen hat, wird man angenommen und respektiert, ganz gleich, ob männlich oder weiblich, ob jung oder alt. Hier wird man für gute Arbeit anerkannt. Trotzdem sind auch im Immobiliensektor in den USA nicht sehr viele Frauen sichtbar, obwohl es schon deutlich mehr als in Europa sind. Diversity wird in den USA ohnehin eher über die Hautfarbe und die Herkunft als über Gender gespielt.
Und wie geht es Dir dabei, als Tochter Deines Vaters in einem Familienunternehmen?
Viele kennen meinen Vater und seine Historie. Sie denken sich vermutlich: Mal schauen, ob sie das kann! Es ist ja so, dass ich, seit ich ungefähr 8 Jahre alt bin, oft in der Firma bin. Damals habe ich bei meinem Vater im Büro meine Hausaufgaben gemacht und war hin und wieder auch bei Meetings mit dabei.
Jetzt mag es sein, dass ich mir hier erst die Sporen verdienen musste, also etwas härter arbeiten musste. Und ich wollte auch zeigen, dass ich das gut machen kann, dass ich nicht nur die Tochter bin, die sich ins gemachte Nest setzt. Gut war, dass ich in eine Firma, in eine Kultur, hineingekommen bin, in der sich auch die Senior Positionen viel Zeit mit mir genommen haben, um mir Dinge zu erklären. Ich wurde von Anfang an zu Meetings mitgenommen – auch zu den wichtigen.
Intern nimmt man mich als respektierte Geschäftspartnerin wahr. Extern muss hin und wieder auch mal Papa ran und die Dinge pushen. Da wollen die Geschäftspartner vielleicht mal die 1. Generation kennenlernen, was ja auch okay ist. Die kennen mich manchmal noch nicht.
Wäre das anders, wenn Du ein Mann wärst?
Wir reden viel über die Nachteile von Frauen. Ich muss sagen, dass ich es als meine Superpower empfinde, eine Frau zu sein – vor allem in der Immobilienbranche, wo es wenig junge Frauen gibt. Oft bin ich die einzige Frau, und daher gibt es auch viel Interesse, sich mit mir zu unterhalten, mir zuzuhören. Und ich weiss, dass Frauen im Immobilienbereich sehr erfolgreich sein können.
Was rätst Du jungen Frauen, die dieses Interview lesen?
Seht es eher als Vorteil, eine Frau zu sein, weil Ihr aus der Masse herausstecht. Und konzentriert Euch generell mehr auf Eure Vorteile. Ich glaube schon, dass wir Frauen emotionaler kommunizieren können und vielleicht auch die feineren Antennen haben. Ich weiss nicht, ob Frauen wirklich multitasking-fähig sind, aber oft können wir breiter – vielschichtiger – denken als Männer. Chapeau, was Ihr bei den Fondsfrauen macht, dass Ihr Frauen in ihren Stärken unterstützt!
Vielen Dank für dieses erfrischende, offene Gespräch, Celine!