Dr. Gabriele Widmann ist Volkswirtin bei der Deka, dem Wertpapierhaus der Sparkassen. Sie ist Expertin für die Themen Altersvorsorge, sowie Demografie, Frauen & Finanzen. Fondsfrau Anke Dembowski spricht mit ihr über die Ergebnisse der aktuellen Deka-Studie und was Frauen daraus lernen können.

Frau Dr. Widmann, es wird oft behauptet, dass sich insbesondere Frauen zu wenig mit ihrer Altersvorsorge beschäftigen. Bestätigt das Ihre Studie, die Sie kürzlich veröffentlicht haben?
Wir haben in der Studie Frauen und Männer befragt. Wir wollten wissen, wie zufrieden die Deutschen mit ihrer finanziellen Absicherung für das Alter sind, ob sie sich Sorgen machen und ob für sie auch chancenreichere Anlagen in Frage kommen. Beim Wissensstand zur gesetzlichen Rente konnten wir keine wesentlichen Unterschiede zwischen Männern und Frauen feststellen. Frauen wie Männer sind sich darüber im Klaren, dass sie eine zusätzliche private Altersvorsorge brauchen, um ihren Lebensstandard im Alter zu halten. Unsere Studie zeigt aber zugleich, dass sich Männer lieber mit den Themen Altersvorsorge und Finanzen beschäftigen als Frauen: Bei den Männern sind es 36, bei den Frauen nur 23 Prozent.

Warum ist das Thema für Frauen so uninteressant?
Das könnte immer noch ein Stück weit mit der Erziehung zusammenhängen. Mit Mädchen wird scheinbar nicht so selbstverständlich über finanzielle Themen gesprochen. Jungs dagegen reden auch öfter miteinander über Finanzen als Mädchen, manchmal treten sie regelrecht in einen Wettbewerb.

Warum finden Männer Finanz-Themen interessanter?
Es ist schwierig, dazu eine allgemeingültige Aussage zu treffen. Männer weisen in der Regel eine höhere Risikobereitschaft auf als Frauen. Das zeigen zum Beispiel die Antworten auf die Frage, ob für die Altersvorsorge auch chancenreichere Anlageklassen in Frage kommen: Knapp die Hälfte der männlichen Befragten beantworten das mit Ja, bei den Frauen sind es nur 31 Prozent.

Ein Ergebnis Ihrer Studie ist, dass sich Frauen mehr Sorgen um ihre Altersvorsorge machen als Männer. Was meinen Sie, woran das liegt?
Hier legen Frauen tatsächlich einen gesunden Realismus an den Tag. Es ist nun mal so, dass sie in der Regel geringere regelmäßige Einkünfte und damit auch niedrigere Rentenansprüche haben. Laut Statistik bekommen Männer in den alten Bundesländern im Schnitt fast 500 Euro pro Monat mehr Altersrente als Frauen. In den neuen Bundesländern sind es fast 400 Euro mehr. Noch unternehmen sie allerdings zu wenig aktiv etwas dagegen.

Konnten Sie feststellen, dass Frauen anders anlegen als Männer?
Ja, eindeutig! Unsere Studie zeigt, dass deutlich weniger Frauen mit Wertpapieren für das Alter vorsorgen als Männer: Es sind nur 16 Prozent der Frauen, aber 34 Prozent der Männer. Das kann bei Ehepaaren u.a. auch daran liegen, dass das Wertpapierdepot oft auf den Namen des Mannes läuft.

Ist das denn ein Problem? Im Falle einer Scheidung fällt das Depot dann ja ohnehin meistens in den Zugewinn…
Das ist richtig, aber das Problem ist, dass bei einer Scheidung die Frau erst einmal eine ganze Zeit lang nicht an das Geld kommt, wenn das Depot ausschließlich auf den Mann läuft. Außerdem haben immer mehr verheiratete Paare Eheverträge, in denen der Zugewinn zum Teil ausgeschlossen wird. Und natürlich gibt es viele unverheiratete Paare, oft auch mit Kindern. Auch dort laufen die Konten nicht selten auf den Mann.

Wie lässt sich das denn ändern?
Ich habe selbst eine Tochter und stelle immer wieder fest: Mädchen und Frauen sind einfach sicherheitsbedürftiger, und sie achten sehr darauf, möglichst keine Fehler zu machen. Das gilt auch für die Altersvorsorge. Unsere Studie zeigt, dass sich knapp die Hälfte der befragten Frauen unsicher ist, wie sie ihr Geld am besten für die Altersvorsorge anlegen soll. Sie agieren oft nach dem Motto: „Bevor ich etwas falsch mache, mache ich lieber nichts!“ Daher ist es wichtig ihnen klarzumachen: Wenn ihr ein oder zwei einfache Regeln beherzigt, könnt ihr gar nicht so viel falsch machen. Legt in einen weltweit breit streuenden Aktienfonds an, haltet den lange und bespart ihn regelmäßig mit festen Beträgen. Dazu braucht ihr euch auch nicht besonders intensiv mit dem Thema Finanzen zu beschäftigen. Es ist nur eben wichtig, einmal die Weichen richtig zu stellen! Dabei helfen auch gern die Beraterinnen und Berater.

Wenn man sich selbst nicht so toll auskennt, ist es immer schwierig, einen guten Tipp von einem schlechten zu unterscheiden? Wie sollen Frauen hier vorgehen?
Sie sollten ihren Fokus auf den Gesamtertrag ihres Depots legen! Der erwartete Gesamtertrag muss ausreichend hoch sein, um mindestens die Inflation auszugleichen. Wer sich jetzt angesichts der aktuell ungewohnt hohen Inflation Sorgen macht: Wir gehen davon aus, dass sich die Inflation schon Ende 2022 wieder bei einer Rate von zwei Prozent einpendelt.

Krypto-Währungen sind derzeit sehr gehyped. Was sagen Sie Frauen dazu?
Ich gebe Frauen gern den Tipp sich zu fragen, was die Grundidee einer bestimmten Anlage ist. Bei Krypto-Token ist sie komplex, bei Aktien hingegen einfach nachvollziehbar! Mit Aktien beteiligen sich Anlegerinnen an einem Unternehmen. Aktien spiegeln den zukünftigen Gewinn eines Unternehmens wider. Ja, Aktienkurse können schwanken. Aber langfristig sorgt eine wachsende Weltbevölkerung für eine wachsende Weltwirtschaft mit steigenden Umsätzen und Unternehmensgewinnen. Das bedeutet, dass sich auch die Aktienkurse tendenziell weiter positiv entwickeln sollten. Unter den Ökonomen gibt es einen breiten Konsens, dass die Weltwirtschaft in den nächsten 10 bis 30 Jahren jährlich – einschließlich der Inflation – um im Schnitt vier bis fünf Prozent wachsen wird.

Der Grundgedanke bei Aktieninvestments ist bestechend: Millionen von Arbeitnehmern arbeiten für mich und mein Geld!

Mädchen und Frauen trauen sich bei ihren mathematischen Fähigkeiten nicht so viel zu wie Männer. Spielt das bei der Altersvorsorge eine Rolle?
Auf jeden Fall! Dabei reicht es doch, wenn man die Zahlen einfach mal in einen Zinseszins-Rechner eingibt. Dann würden Frauen schnell sehen, dass sie sich mit den von ihnen bevorzugten konservativen Anlagen, wie zum Beispiel einem Sparbuch, arm sparen. Langfristig dürfte die Inflation in Deutschland bei zwei Prozent liegen; das Mindestziel ist also eine Kapitalanlage, die die Inflation ausgleicht. Um eine entsprechend hohe reale Rendite zu erreichen, braucht es mehr Mut bei der Geldanlage. Wir müssen den Frauen zurufen: „Traut euch, probiert es einfach mal aus!“

Viele Frauen geben an, sie hätten kein Geld übrig, um es auf die Seite zu legen. Woher sollen sie das Geld nehmen?
In der Tat verdienen viele Frauen weniger als Männer, weil sie häufiger in Teilzeit oder in weniger gut bezahlten Berufen arbeiten. Das Beste ist, wenn Frauen gleich nach Eingang des Gehalts einen festen Betrag automatisch auf ihren Sparplan überweisen lassen. Der sollte natürlich auf ihren eigenen Namen laufen!

Was ist sonst noch wichtig bei der Kapitalanlage?
Ich warne immer vor angeblichen Geheimtipps zu Anlagen, bei denen eine besonders hohe Rendite lockt, das Risiko aber nicht benannt wird.

Ich habe gehört, dass Sie bei der Deka auch Ihre Mitarbeiter zur Altersvorsorge beraten…
Ja, wir haben eine sehr engagierte interne Mitarbeiterberatung. Es sind mehrere Expertinnen und Experten, deren Unterstützung die Mitarbeitenden in Anspruch nehmen können. Neben Einzelberatungsterminen werden auch Veranstaltungen zu verschiedenen Schwerpunktthemen wie Altersvorsorge oder Nachhaltigkeit angeboten. Sowohl die Einzelberatung als auch die Veranstaltungen werden von den Kolleginnen und Kollegen sehr rege genutzt.

Vielen Dank für das engagierte Interview und Ihre Tipps!

 

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Anke Dembowski

Anke Dembowski ist Finanzjournalistin und Autorin verschiedener Investmentfonds- und anderer Finanzbücher. Sie ist außerdem Mit-Gründerin des Netzwerks „Fondsfrauen".

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