Oft wird von 401(k)-Pläne in den USA gesprochen, aber im Detail weiß man es dann doch nicht so genau. Wir sprechen mit Christof Quiring, der bei Fidelity International in Deutschland den Bereich betriebliche Altersvorsorge leitet. Er weiss, wie die 401(k)-Pläne in den USA funktionieren und erklärt, warum dabei oft mehr herauskommt als bei Altersvorsorge-Plänen in Deutschland. Wen wundert’s? It’s the market, stupid!
Von den berühmten 401(k)-Plänen in den USA haben die meisten aus unserer Branche schon gehört, aber wir wollen es genauer wissen. Daher spricht Fondsfrau Anke Dembowski mit Christof Quiring, Leiter betriebliche Altersvorsorge und Mitglied der Geschäftsführung Deutschland bei Fidelity International. In den USA ist Fidelity einer der größten Anbieter für 401(k)-Pläne und hat daher ein gute Datenbasis zu dieser Form der betrieblichen Altersvorsorge.
Herr Quiring, wie lange gibt es die 401(k)-Pläne in den USA schon?
Es gibt sie seit 1978. 401(k) ist eigentlich nur ein Steuerparagraf im US-Steuergesetz, dem Revenue Act. Dort ist folgendes geregelt: Wenn sich ein Mitarbeiter sein Gehalt nicht unmittelbar auszahlen lässt, dann tritt auch die Besteuerung erst zu dem späteren Zeitpunkt ein. Das ist die sogenannte „deferred taxation“.
Wie sieht es mit der Beteiligungsquote an dieser Form der betrieblichen Altersvorsorge in den USA aus?
Die erste Säule ist in den USA sehr klein, und rangiert eher auf dem Niveau von Sozialhilfe. Daher ist für die meisten Menschen in den USA die 2. Säule zusammen mit der 3. der wesentliche Baustein ihrer Altersvorsorge. Hierbei handelt es sich um echte Defined-Contribution-Pläne, ohne Garantien. Mittlerweile gibt es etwa 60 Mio. aktive Teilnehmer an 401(k)-Plänen in den USA, und rund 600.000 Unternehmen bieten einen solchen Altersvorsorge-Plan an.
Und wie dürfen die Menschen das Geld anlegen?
Das Gesetz gibt weitgehende Freiheit. In der Realität sieht es so aus, dass der Sponsor, also der Arbeitgeber, ein bestimmtes Anlage-Universum festlegt, aus dem die Mitarbeiter auswählen dürfen. Im Regelfall sind das etwa 20-30 Anlageoptionen; überwiegend Fonds. Aber es darf auch in Einzelwerte investiert werden, häufig auch in die Aktien des Arbeitgebers. Viele Arbeitgeber lassen inzwischen auch Anlagen in Krypto-Werten zu. Das spiegelt eben den Geist der Amerikaner wider. Man lässt zu, dass jeder seines eigenen Glückes Schmied ist, solange er auch selbst die Konsequenzen seiner Entscheidung trägt.
Wenn die Menschen in die Aktien ihres Arbeitgebers investieren, ist das eine Klumpung des Risikos…
Ja, genau! Sie erinnern sich vielleicht an den Fall Enron. Das war ein aufstrebendes Energieunternehmen, das aber Luftbuchungen durchgeführt hatte und dann in Konkurs ging. Die Mitarbeiter, die Enron-Aktien in ihren 401(k)-Plänen hielten, verloren also nicht nur ihren Arbeitsplatz, sondern auch einen Teil ihrer Altersvorsorge. Auf der anderen Seite: Wäre man Amazon-Mitarbeiter und hätte Amazon-Aktien gekauft, sähe die Sache hervorragend aus. Der US-Gesetzgeber hat aber auf den Enron-Fall reagiert und eingeführt, dass jeder Sponsor eine Default-Strategie vorgeben muss, die eine ausreichende Streuung aufweist. Hier haben sich Lifecycle-Fonds durchgesetzt. Die Menschen können auch mischen und dabei immer noch in Einzeltitel oder nischige Fonds investieren, aber dann muss man auf der Online-Strecke mehrmals bestätigen, dass man das ausdrücklich so machen will.
Fidelity ist einer der größten Anbieter für 401(k)-Pläne. Was genau bietet Fidelity in den USA an?
Zum einen stellen wir die Administrations-Plattform bereit. Dort sieht die Mitarbeiterin dann das Logo ihres Arbeitgebers und kann in ihr individuelles Konto gehen. In diesem werden ihr auch die Anlagemöglichkeiten gezeigt, die zur Verfügung stehen und sie kann die Höhe ihrer Beiträge wählen. Zum anderen bieten wir auch die Fonds an, die als Bausteine für 401(k)-Konten verwendet werden.
Was sind das für Fonds?
Lifecycle-Fonds, bei denen sich der Aktienanteil über die Laufzeit langsam reduziert, zu Gunsten des Rentenanteils, haben sich als Default-Option etabliert. Wenn die Mitarbeiterin nicht aktiv von der Voreinstellung abweicht, dann werden die Beiträge von ihr und ihrem Arbeitgeber automatisch in einen Lifecycle-Fonds investiert. Darüber hinaus gibt es in der Regel die Möglichkeit, Fonds aus folgenden Kategorien auszuwählen: Geldmarkt, Anleihen, US-Aktien, globale Aktien sowie Mischfonds.
Ist man dann bei Renteneintritt zu 100% in Renten und zu null Prozent in Aktien investiert?
Nein, nur in Deutschland gehen wir mit unseren Lifecycle-Fonds auf eine Aktienquote von null herunter, denn der Sponsor hat eine Garantieverpflichtung. In den USA hat man bei Renteneintritt mit unseren Lifecycle-Fonds in der Regel noch eine Aktienquote von 50%.
Wie hoch sind die Beiträge, die man in Amerika in einen geförderten 401(k)-Plan investieren kann?
Steuerlich gefördert wird bis zu einem Maximalbeitrag, der jedes Jahr angepasst wird. 2024 waren es 23.000 US-Dollar. Es geht auch mehr, aber auf die Beiträge, die über die Höchstgrenze hinausgehen, zahlt man dann Steuern. Menschen über 50 Jahre haben einen zusätzlichen Freibetrag in Höhe von 7.500 US-Dollar p.a., den sogenannten „Catchup-Beitrag“. Ab 50 kann man also pro Jahr 30.500 US-Dollar einzahlen. Das finde ich smart, weil die Leute dann eine klarere Perspektive auf ihren Ruhestand haben.
Was muss man dann im Rentenalter versteuern?
Bei der Entnahme im Rentenalter versteuert man die jeweils entnommenen Beträge mit seinem persönlichen Steuersatz. Weil man dann in der Regel kein Arbeitseinkommen mehr hat, ist der Steuersatz hier oft niedriger als während der aktiven Phase.
Wie viel zahlen die Menschen denn in der Praxis in ihre Pläne ein?
Empfohlen sind 7-10% des Bruttogehalts, allerdings zahlt ein Drittel der Teilnehmenden weniger als 5% des Bruttogehalts ein.
Das hört sich nicht viel an…
Das ist relativ. In Deutschland können in versicherungsförmige Durchführungswege sozialversicherungsbeitrags- und steuerlich gefördert auch nur 4% in einen bAV-Vertrag eingezahlt werden. In der Praxis wird selbst das nicht immer ausgeschöpft. In den USA ist aber die Beteiligungsquote relativ hoch. Ursprünglich schien der Regierung dort die Teilnahmequote zu niedrig, dann hat man das Auto-Enrollment eingeführt. Wer nicht ausdrücklich „nein“ sagt, nimmt automatisch am Plan teil. Das hat die Teilnahmequote auf über 82 Prozent gesteigert.
Wow, in Deutschland stagniert die Teilnehmerquote bei 50 bis 60%. Was machen die Leute in den USA, wenn es einen Crash gibt?
Die Menschen dort haben eine andere Auseinandersetzung mit dem Kapitalmarkt. Das merkt man beispielsweise daran, dass es Wörter wie „Casino-Rente“ dort nicht gibt. Im schwierigen Kapitalmarkt-Jahr 2022 haben 401(k)-Konten im Schnitt 20% verloren. Das mag sich nicht viel anhören, aber diese Zahl beinhaltet auch die Pläne, die kurz vor Renteneintritt standen und daher womöglich konservativer angelegt waren. Die Börsen haben sich zwar bis Ende 2024 im Wesentlichen wieder erholt, aber insgesamt haben die Amerikaner das schwierige Börsenjahr 2022 relativ gelassen genommen.
Gibt es bei der Kapitalanlage Unterschiede zwischen Frauen und Männern?
Ja, es gibt Unterschiede. Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass Frauen häufiger die Lifecycle-Strategie wählen, in der sich die Fondszusammensetzung in Abhängigkeit von der Restlaufzeit risikoadjustiert verändert. Männer wählen dagegen häufiger die Aktie des Arbeitgebers und investieren in Einzeltitel über ein Brokerage-Depot. Darüber hinaus haben Männer bei Aktienfonds ein etwas stärkeres „Home Bias“.
| 401k Asset Allocation | Short term | Stable value | Fixed Income | Balanced/
hybrid |
Target Date Fund | Domestic Equity | International Equity | Company Stock | Self-Directed Brokerage | Annuity |
| Männer | 1.3% | 3.9% | 4.3% | 1.5% | 37.4% | 37.4% | 5.6% | 3.5% | 4.6% | 0.2% |
| Frauen | 1.0% | 3.4% | 4.2% | 1.4% | 47.7% | 32.0% | 5.1% | 2.9% | 1.9% | 0.2% |
Wie groß ist denn im Schnitt das Vermögen, das in so einem 401(k)-Plan steckt?
Da stecken respektable Summen drin. Im Schnitt sind es 112.000 US-Dollar, und unmittelbar vor dem Renteneintritt (im Alter zwischen 60-64 Jahren) haben die Leute im Schnitt 254.200 US-Dollar darin angespart. Bei Männern sind es im Durchschnitt 303.400 USD, bei Frauen 198.900 USD.
Wie gestaltet sich dann die Entnahmephase?
Bei Renteneintritt wird das Kapital vom Unternehmens-Vorsorgekonto auf ein „Individual Retirement-Account“ (IRA) umgebucht, um von dort die Auszahlung technisch darzustellen. Wenn man verschiedene Pläne bei unterschiedlichen Arbeitgebern hatte, können die Beträge dort zusammengeführt werden. Auch in der Entnahmephase sind die Amerikaner relativ frei. Sie können regelmäßig einen bestimmten Betrag entnehmen oder auch mal die Auszahlungen erhöhen, verringern oder aussetzen.
Wie gestalten die Leute in den USA die Entnahmen?
Sie können genau angeben, aus welchem Fonds/Wertpapier sie ihre Auszahlung entnehmen möchten. Viele verwenden eine Art „3-Topf-Modell“, mit einem Geldmarktfonds für die Auszahlungen im nächsten Jahr, einem gemischten Topf für die mittelfristige Anlage und einem dynamischen Topf für die Beträge, die noch länger liegen. Sie schichten dann nach und nach in die risikoärmere Variante um. Zum Thema „Auszahlungen im Ruhestand“ gibt es ein umfangreiches Beratungsangebot. Aber auch in den USA möchte sich nicht jeder um seine Kapitalanlagen kümmern; daher entscheiden sich viele auch für sogenannte „Managed Accounts“
Gibt es auch die Möglichkeit einer Anteilsrente, dass man monatlich eine bestimmte Anzahl an Fondsanteilen verkauft, anstatt regelmäßig für denselben Betrag. So ließe sich der negative Cost-Average-Effekt vermeiden…
Ja, die Planteilnehmerin kann zwischen Beitrags- und Anteilsorder wählen.
Werden 401(k)-Pläne auch von den Anbietern beworben?
Ja. Populär ist die Kampagne „How to retire as a millionaire”. Darin wird mit einer einfachen Rechnung gezeigt, dass man mit 65 mehr als eine Million Dollar auf dem Vorsorgekonto hat, wenn man ab dem Alter von 25 Jahren jedes Jahr 6.000 US-Dollar in seinem 401(k)-Plan einzahlt und das Geld in Aktien mit einer durchschnittlichen historischen Rendite von 7% investiert. Hier zeigt sich: Es lohnt sich, frühzeitig mit der Altersvorsorge anfangen!
Vielen Dank für diesen interessanten Ausblick über den Tellerrand!


