Der Gender Pay Gap, also die unterschiedliche Bezahlung von Frauen und Männern, ist ein Phänomen, das die Politik jetzt aktiv angehen will. Festgestellt wurde nämlich, dass der Bruttoverdienst von Frauen in Deutschland um durchschnittlich 21% geringer ist als der von Männern. Das Bundesfamilienministerium um Ministerin Manuela Schwesig (SPD) findet das besorgniserregend und will mit dem „Lohngerechtigkeitsgesetz“ gegensteuern. Das Gesetzesvorhaben will Unternehmen zu einer weitgehenden Transparenzpflicht für die Vergütung der Beschäftigten bewegen, um Lohnvergleiche und das Aufdecken eventueller Ungerechtigkeiten überhaupt erst möglich zu machen.

IW sieht andere Faktoren als Erklärung für den Paygap
Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) hat den Pay Gap näher untersucht und veröffentlichte Anfang Juni 2016 das Ergebnis, dass die Lohnlücke nicht durch Diskriminierung zustande kommt, sondern durch die Wahl der Frauen zu niedrig entlohnten Branchen, geringeren Arbeitszeiten und anderen erklärenden Faktoren. „Die Annahme, bei der Lohnlücke handele es sich um Diskriminierung durch die Unternehmen, ist unsachgemäß“, sagt IW-Direktor Prof. Dr. Michael Hüther. Ausschlaggebend für die Lohnhöhe seien beispielsweise auch Faktoren wie Branche und Betriebsgröße.

Frauen arbeiten eher im Gesundheits- und Sozialwesen
Bereits in früheren Studien hat das IW gezeigt, dass Frauen in Hochlohnbranchen unterrepräsentiert sind und tendenziell in kleineren Betrieben arbeiten. „So sind gut drei Viertel aller Stellen in den – eher niedrig entlohnten – Bereichen Erziehung und Unterricht sowie im Gesundheits- und Sozialwesen von Frauen besetzt, im – eher hoch entlohnten – Verarbeitenden Gewerbe sind es weniger als drei von zehn“, teilt das IW mit. Zudem nähmen Frauen seltener Führungsaufgaben wahr und arbeiteten häufiger in Teilzeit als Männer. Die Entscheidungen über Karriere und Familie seien jedoch rein privat und keine Diskriminierung – so das Institut.

Werden die genannten und weitere Parameter berücksichtigt, habe Deutschland im Jahr 2013 eine gesamtwirtschaftliche Lohnlücke von rund 6,6% – einer der niedrigsten Werte in der EU. Besser schneiden nur Dänemark, Belgien, die Schweiz und die Niederlande ab, führt das IW an. Werden weitere Faktoren wie die Berufserfahrung einbezogen, verkleinere sich die gesamtwirtschaftliche Lohnlücke in Deutschland auf rund 3,8%. Sie würde noch geringer ausfallen, wäre es möglich, unterschiedliches Verhalten in Gehaltsverhandlungen und abweichende Präferenzen zu berücksichtigen. „Der Politik fehlt damit die entscheidende Begründung für das Lohngerechtigkeitsgesetz“, so Hüther.

Wirtschaft wehrt sich gegen das Lohngerechtigkeitsgesetz
Dass die Wirtschaft von der Einführung des Lohngerechtigkeitsgesetzes nicht begeistern ist, erstaunt nicht. Auch die Interessenvertretung der Metall- und Elektro-Industrie Gesamtmetall stößt ins selbe Horn: „Die Bundesregierung sollte (…) Frauen dazu ermutigen, mehr technische Berufe zu wählen und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch den Ausbau der Kinderbetreuung noch mehr fördern. Das wäre ein echter Beitrag für eine moderne Gleichstellungspolitik“, meint Gesamtmetall-Hauptgeschäftsführer Oliver Zander.

Der Verband der Chemiearbeitgeber sieht durch die geplante Transparenzpflicht des Lohngerechtigkeitsgesetzes gar den Betriebsfrieden gefährdet: „Erfahren Mitarbeiter, dass sie weniger verdienen als die Vergleichsgruppe, entsteht Unzufriedenheit und Neid — selbst dann, wenn die unterschiedliche Bezahlung aus objektiven Gründen (z.B. größere Berufserfahrung) gerechtfertigt ist“, heißt es auf der Website des Verbandes.

Familienministerium verteidigt Lohngerechtigkeitsgesetz
Das Bundesfamilienministerium hingegen verteidigt sein Gesetzesvorhaben. Sprecherin Verena Herb erklärt gleich am Montag in Berlin: „Es ist doch offensichtlich, dass das Problem der Lohnlücke kleingeredet und kleingerechnet wird“, sagte sie. Die Lohnlücke sei „keine private Entscheidung“ sondern habe etwas mit verkrusteten Strukturen zu tun.

Das Bundesfamilienministerium hat eine Broschüre „Fair P(l)ay – Entgeltgleichheit für Frauen und Männer“ veröffentlicht, die kostenlos von der Website des Ministeriums heruntergeladen werden kann. Darin wird auch gleich auf die nicht immer offensichtlichen Ungerechtigkeiten hingewiesen: „Nicht jede Form der Entgeltdiskriminierung ist auf den ersten Blick erkennbar. Dies gilt besonders für die Bewertung von Arbeit, denn auf den ersten Blick geschlechtsneutral formulierte Bestimmungen können diskriminierende Auswirkungen für Frauen haben. So werden in Tarifverträgen manchmal Merkmale, die eher von Männern erfüllt werden, wie z.B. schwere körperliche Arbeit, Verantwortung für Maschinen oder Finanzen anders gewichtet und damit entlohnt als z.B. das Merkmal Verantwortung für Menschen, das typischerweise von Frauen erfüllt wird.“

Wir Fondsfrauen sind gespannt, wie es weitergeht und befürworten eine höhere Lohntransparenz. Nur so lassen sich Ungereimtheiten erkennen und verkrustete Strukturen aufbrechen. Dass Frauen stärker auch in technische und mathematisch orientierte Berufe vordringen sollten, die einen höheren Verdienst erwarten lassen, steht auf einem anderen Blatt. Dagegen haben wir natürlich auch nichts!

Foto: Bundesfamilienministerium

 

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Anke Dembowski

Anke Dembowski is a financial journalist and author of various investment fund-related and other financial books. She is also a co-founder of the "Fondsfrauen" network.

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