Ein Blick hinter die Kulissen und neue Fakten über groteske Deals, Politnetzwerke und den Zerfall eines Imperiums. Aber auch ein hervorragendes Essay darüber, wie Männer-Netzwerke funktionieren.
- Autoren: Rainer Fleckl, Sebastian Reinhart
- Herausgeber: edition a, ISBN: 978-3990017715
- Preis: € 24,00 (D.)
- Hardcover, 240 Seiten
- Erschienen: April 2024
Obwohl sehr sachlich geschrieben, ist Inside Signa, Aufstieg und Fall des René Benko ein super-spannendes Buch, über das Leben und die Geschäftspraktiken des bekannten Immobilien-Wunder-Menschen René Benko. Es ist gespickt mit wörtlich widergegebenen E-Mails und Telefonaten, bei denen man sich fragt, wie die Autoren da drangkommen sind. Aber auch die offenbar gut informierten Autoren haben es nicht geschafft, das weit verzweigte Firmen-Imperium zu durchdringen, das von Benko tunlichst intransparent gehalten wurde. Niemand – außer vielleicht der Meister selbst – überblickte das unglaubliche Firmengeflecht, das am Ende aus über 1.000 Unternehmen, Privatstiftungen und sonstigen Einheiten bestand.
Alpha-Mann mit allen erdenklichen Statussymbolen
Das Buch zeigt aber nicht nur Leben und Geschäftspraktiken des René Benko, sondern es führt auch vor Augen, wie gern Männer an Alpha-Männer glauben. Diese Thematik hatten die Autoren vermutlich gar nicht beabsichtigt, aber Frau liest das zwischen den Zeilen. Da kommt ein smarter Verkäufer-Typ aus Österreich und zeigt alle Insignien der Macht: Privatjet (Marke Bombardier Global 700), Kontakte in höchste wirtschaftliche und politische Kreise, Villa am Gardasee (um nur eine zu nennen), eine 64-Meter-Privat-Jacht, ein prämiertes Springpferd (natürlich ein Hengst), Zugriff auf reichweitenstarke Medien. Auch als Kunst-Sammler zeigt sich der Mann, der aus kleinen Verhältnissen stammt: Unter anderem gehörten ein Picasso und ein Basquiat zu seiner Sammlung.
Wer mit Milliarden jongliert, muss es ja können
Jede Frau, die, sagen wir über 30 ist, hat schon so manchen Wunderknaben kennengelernt, der am Ende nicht performt hat. Aber Männer finden so viel Wunderwuzzitum anziehend. Niemand kann in der heutigen Zeit Kaufhäuser, weil sie schlicht aus der Mode gekommen sind. Aber René Benko traut man das zu. Er fusioniert mal eben Karstadt mit Galeria Kaufhof. Er erwarb das Kaufhaus des Westens (Kadewe) in Berlin, das Traditionskaufhaus Carsch-Haus in Düsseldorf, das Luxuskaufhaus Oberpollinger in München… er kleckerte nicht, sondern klotzte.
Gerade zu den Zeiten der extrem niedrigen Zinsen lechzten die Investoren nach Yield. Benko versprach hohe Renditen und lieferte sie anfangs auch. Großzügig fließendes frisches Geld finanzierte die Zinsen für die bestehenden Geschäftskontakte. Fast alle größeren Unternehmen veröffentlichen geflissentlich ihre Zahlen, aber bei Benko schaut man darüber hinweg, dass er es nicht tut – schließlich jongliert er ja mit Milliarden. Männer lieben Namedropping (von Wirtschafts-Größen bis Celebrities) und möchten mit solchen erfolgreichen Typen wie René Benko zusammen sein.
In der Gemeinschaft fühlt man sich sicher
Benko muss eine enorme Strahlkraft gehabt haben. Er war ein Macher, ein Self-Made-Mann, der es zum Milliardär geschafft hat – solche Geschichten finden Männer toll, weil sie selbst gern so tolle Macher wären. Das Verkaufen hatte er bei Carsten Maschmeyers AWD gelernt; und jeder, der schon etwas länger in der Branche ist, weiß, dass diese Verkaufsschule ihre Wirkung nicht verfehlt.
Außerdem fühlt man sich in der Gemeinschaft sicher – das ist vermutlich keine ausgemachte Männer-Sache, sondern geht Frauen ebenso. Politiker, hochrangige Banker, Anwälte, Steuerberater, Ölscheichs, bekannte Unternehmer-Größen… sie waren dabei und überwiesen ihm Millionen, damit er sie vermehren sollte – da wollte man nicht am Rand stehen und nur zusehen. Und so kam immer weiteres Geld hinzu. Laut der Finanz-Aufsichtsbehörde Bafin sollen unter anderem 46 Versicherer aus Deutschland dem Benko-Konglomerat Kredite gewährt haben. Und daneben jede Menge anderer Investoren: Banken, Ölscheichs, Family Offices – feine Adressen mit tiefen Taschen
Conclusion: Ein sehr lesenswertes Buch! Wirtschafts-Krimi und eigentlich auch Psycho-Thriller.