Sandra Navidi hat schon im Juni 2016 mit Fondsfrau Anke Dembowski ein Interview über die Rolle der Frauen in der Finanzbranche geführt. Wir setzen das Gespräch nun fort und wollen mit Frau Navidi noch detaillierter darüber sprechen, wie Frauen in der Berufswelt anders ticken und welche besonderen Klippen sie umschiffen müssen.

Fondsfrauen: Frau Navidi, es gibt Untersuchungen, dass eine Minderheit dominiert wird, und dass eine Quote von etwa 30% notwendig ist, um eine wahrnehmbare Stimme zu haben. Ist das auch Ihre Erfahrung?
Ja, das glaube ich sofort. In der Finanzwelt herrscht ein rauer Ton, und wenn Frauen eine zu kleine Minderheit sind, werden sie oft untergebuttert.

Es lässt sich beobachten, dass viele gut ausgebildete junge Frauen in die Finanzbranche einsteigen, aber die Dropout-Quote dann relativ hoch ist. Welche Gründe sehen Sie dafür?
Sicher fällt ein gewisser Prozentsatz an Frauen zeitweise aus, weil sie sich für eine Familie entscheiden. Es ist ja trotz allen Fortschritts nachgewiesenermaßen immer noch so, dass der Hauptanteil der Fürsorge für die Kinder und den Haushalt an der Frau hängen bleibt, auch wenn beide gleichberechtigt beruflich tätig sind. Übrigens auch in den USA. Dann gibt es aber immer noch einen übergroßen Anteil an Frauen, die trotzdem weiterhin Karriere machen wollen und vollen Einsatz bringen. In New York stellen viele Frauen Nannies für ihre Kinder ein und sourcen auch sonst alles aus, aber kommen trotzdem nicht weiter. Sie fragten nach den Gründen dafür: Die Finanzbranche ist stark testosterongeprägt, und damit – zumindest unterschwellig – aggressiv. Vordergründig ist es schon viel besser geworden. In den Achtziger Jahren wurden schlechtes Benehmen, Maßlosigkeit und unfeine “extracurricular” activities ja geradzu zelebriert. Viele Jahre und Rechtsstreitigkeiten später sind jetzt zunehmend mehr Frauen vertreten. Die “political correctness” hat Einzug gehalten und das Nivau hat sich stark verbessert. Allerdings ist die Diskriminierung dadurch noch subtiler geworden, und damit schwerer zu ahnden. Jedenfalls kann dieses Arbeitsumfeld an sich allein schon Dauerstress verursachen und viele Frauen wollen sich das nicht antun. Meine Erfahrung mit der Zusammenarbeit mit Frauen ist durchweg positiv. Die meisten Schnittpunkte hatte ich in der rechtlichen Abwicklung von Fonds-Produkten. Da war die Zusammenarbeit immer sehr effizient und angenehm.

Gerade in den Rechtsabteilungen gibt es ja relativ viele Frauen. Rechtsabteilungen gehören sozusagen zu den „Pink Ghettos“, genau wie HR, Steuern, Marketing…
Richtig! Aber all diese Abteilungen sind Kosten-Zentren und stehen nicht für den Profit eines Unternehmens. Deshalb ist es von dort aus schwieriger Karriere zu machen. Geschätzt werden die Profit-Zentren, das Investment Banking, Trading, M&A, usw.  –  also Geschäftsfelder, in denen überwiegend Männer vertreten sind.

Frauen sind auch bei Start-ups deutlich weniger vertreten, obwohl ja quasi jeder gründen kann. Fehlt Frauen vielleicht die Motivation, neu zu gründen? Oder sehen Sie eher externe Hindernisse bei der Gründung?
Zum Teil ist das kulturell bedingt. Männer sind dazu erzogen, sich mehr zuzutrauen und proaktiv zu sein. Auch das Scheitern, das im Start-up Bereich ja überproportional oft vorkommt, ist vermutlich bei Männern akzeptierter. Wenn eine Frau scheitert, bestätigt das tendenziell schon vorhandene Vorurteile. In Deutschland ist die Kultur des Scheiterns ja eher unterentwickelt. In Amerika ist das anders. Da wird man nicht fürs Hinfallen gescholten, sondern für das Wiederaufstehen bewundert, was übrigens auch eine große Triebkraft für die Dynamik der Wirtschaft ist. Es fehlt aber auch an Finanzierungsmöglichkeiten: Startups brauchen Geldgeber, und Frauen erhalten bei der Unternehmensgründung nachweislich weniger Geld, weil man ihnen weniger zugetraut. Sie haben nicht die Netzwerke und werden nicht so ernst genommen. Und Frauen, die Gelder akquirieren wollen, geraten auch oft in unangenehme Situationen. In der Recherche zu meinem Buch bin ich da auf die unglaublichsten Geschichten gestoßen.

Warum ist das so?
Das ist wie beim Einwerben von Geldern. Warum werden oft besonders junge und attraktive Frauen eingesetzt, auch wenn sie nicht die fachliche Qualifikation haben?

Aber ist es nicht gerade im Vertrieb oder im Assetraising für junge, attraktive Frauen leichter als für Männer? Erhalten die nicht auch manchmal aus gönnerhaften Gründen Gelder von dem ein oder anderen Mann?
Das mag schon sein, und die Frauen haben sicher auch Erfolg, sonst würden sie ja nicht eingestellt. Aber man will ja nicht Erfolg haben, weil er einem gönnerhaft zugedacht wird, sondern weil man ihn aufgrund seiner Leistung verdient. Und der Kunde sollte sich wegen seiner Treuhandpflichten auch eher auf die Substanz der Produkte konzentrieren. Wenn ich mal zurück zum Thema Venture Capital gehen darf: Da gibt es viele fleißige, intelligente Frauen, die etwas auf die Beine stellen wollen. Beim Assetraising werden sie dann häufig mit eindeutigen Avancen konfrontiert. Irgendwann haben die Frauen keine Lust mehr darauf und ziehen sich aus diesem Bereich zurück.

Kann dieses Akquise-Flirten nicht auch Spaß machen?
Man sollte immer professionell sein und Berufliches und Privates strikt voneinander trennen. Es ist einfach ärgerlich, wenn man bildungs- und erfolgstechnisch genauso viel entgegenzusetzen hat wie ein Mann, und man soll auf einer ganz anderen Schiene arbeiten. Die meisten Frauen mit Substanz werden nicht das Risiko eingehen, sich den Ruf zu verderben.

Wird bei Frauen eher unterstellt, dass sie auf gewisse Weise ihren Erfolg erreicht haben?
Ja, geklatscht wird überall, und gegen Gerüchte kann man sich praktisch nicht wehren. Aber man muss ja nicht auch noch die Munition dafür liefern.

Wie wichtig ist für Frauen das äußere Erscheinungsbild, um Karriere zu machen?
Das äußere Erscheinungsbild ist generell wichtig, auch bei Männern. Attraktivität ist nachweislich direkt korreliert mit beruflichem Erfolg. Bei Männern zählt insbesondere Größe. Jeder Zentimeter Körpergröße spiegelt sich in Gehaltszuwachs wider. Übergewicht wirkt sich tendenziell negativ auf den beruflichen Aufstieg aus, hat die Forschung bestätigt. Ansonsten gilt für Frauen: Mit einem dezenten und angepassten Erscheinungsbild fährt man am sichersten. Zu weiblich zu sein ist hier eher kontraproduktiv, weil es ablenkt und Klatsch bestärken kann.

Was empfehlen Sie Frauen?
(lacht) Kein tiefer Ausschnitt, kein kurzer Rocksaum, nicht zu geschminkt… alles in Maßen!

Sie schreiben in Ihrem Buch, dass Frauen zögerlicher bei der Nutzung von Beziehungen und von Karrierezwecken sind. Wie macht sich das bemerkbar und was glauben Sie, woran das liegt?
Ja, das ist kurios, weil Frauen oft eingestellt werden, damit sie ihre Netzwerk-Fähigkeiten für die Firma einsetzen, zum Beispiel in der Akquise oder im Investor-Relations-Bereich. Aber Research hat gezeigt, dass es Frauen unangenehmer ist, Beziehungen opportunistisch für Karrierezwecke einzusetzen. Außerdem haben sie weniger weibliche Vorbilder und beim Netzwerken mit Männern können sie nicht so unbeschwert vorgehen wie ihre männlichen Kollegen, sondern müssen mehr Vorsicht walten lassen. Das ist insofern problematisch, als an den Schaltstellen mehr Männer sitzen. Früher hatte ich übrigens auch Vorbehalte gegenüber Netzwerken. Aber ich habe gelernt, dass auch Frauen Netzwerke einsetzen müssen. Es geht ja nicht darum, jemanden zu übervorteilen. Das ist eher eine deutsche Sichtweise…. Da halte ich die amerikanische Einstellung zum Netzwerken für konstruktiver. Da liegt die Tatsache, dass alle Geschäfte machen müssen und wollen, auf dem Tisch. Wenn man bei einem Netzwerk-Event ist, muss man nicht so tun, als wäre man nur zum Spaß da. Diese Offenheit verleiht wiederum eine gewisse Unbeschwertheit, weswegen es dann trotzdem Spaß macht. Es ist ja auch nichts Verwerfliches dabei, sich zunächst einmal zu beschnuppern und zu schauen, ob es Synergien gibt. Wenn man sich nicht sympathisch findet, kommt man im Zweifel auch in einem Netzwerk nicht zusammen. Es ist auch niemand gezwungen, jemanden anderem einen Gefallen zu tun oder in Vorleistung zu treten – das macht ja jeder freiwillig. Es spricht jedenfalls nichts dagegen, die Fühler auszustrecken und Potenzial auszuloten. Männer machen das viel selbstverständlicher.

Was raten Sie jungen Frauen – z.B. Studentinnen -, die Karriere machen wollen?
Geschenkt wird einem nichts, und eine gute Ausbildung ist die beste Versicherung für alles – Aufstieg, Karrierewechsel, üble Nachrede, etc. Ausbildung ist und bleibt das Solideste von allem. Wir leben in einer Wissens-Ökonomie, die Erde dreht sich immer schneller, ist kleiner geworden und der Wettbewerb größer. Da ist ständige Weiterbildung unerlässlich. Und leider: There are no shortcuts! Man kann sich nicht auf glückliche Fügung verlassen Und das Netzwerken muss dann noch hinzukommen. Die Lehre aus meinem Buch ist: Mit einem guten Netzwerk fährt man in allen Umständen besser – beruflich wie auch privat. Deshalb muss man sich überwinden und Netzwerke knüpfen und pflegen. Das ist manchmal anstrengend und macht sicher nicht nur Spaß. Auch kann man das nicht strategisch durchplanen, sondern es muss eine Selbstverständlichkeit werden.

Was raten Sie Frauen, die bereits dabei sind Karriere zu machen, und die spüren, dass sie an die gläserne Decke stoßen?
Hhm, es kommt es immer sehr auf die Umstände des Einzelfalls an. Ich habe ehrlich gesagt auch kein Wundermittel parat. Da muss man als Frau dann schwierige Entscheidungen treffen; entweder in eine andere Firma oder Branche zu wechseln, oder vielleicht sein eigener Chef zu werden und sich selbständig zu machen

Das ist eine Sache, die beobachte ich öfter: Dass kompetente Frauen im mittleren Alter aus einer Corporation herausgehen und sich selbständig machen. Dort müssen sie dann im Prinzip ganz von vorne anfangen, nehmen hier also erhebliche Risiken auf sich. Aber sie scheinen sich hier wohler zu fühlen.
Ja, diese Frauen können dann ihre Energie und ihre Talente viel besser entfalten und sich von Marktkräften beurteilen lassen, die im Zweifel objektiver als ein einzelner Chef sind. Außerdem können sie selbstbestimmt agieren und müssen sich nicht mit “Politics” herumschlagen.

Ja, bei vielen läuft die neu begonnene Selbständigkeit sehr gut!
Durchaus! Ich bin ja auch nicht im System geblieben, sondern habe mich mit meiner Firma BeyondGlobal selbständig gemacht. Da berate ich die Management Ebene von Unternehmen, insbesondere Finanzunternehmen. Und ich kann mir die Zeit nehmen, Bücher zu schreiben. Meine Agentin verkauft $uperHubs gerade überaus erfolgreich auf der ganzen Welt – im Januar beginnt schon einmal der globale Vertrieb der englischen Version, und gerade konzipiere ich mein nächstes Buch. In einem klassischen Arbeitsverhältnis hätte ich mir dafür niemals die Zeit nehmen können. Ich habe meine Entscheidung also noch nicht bereut.

Und zum Schluss würde ich gerne von Ihnen erfahren, was die drei wichtigsten Eigenschaften sind, die eine Frau mitbringen muss, um in der Finanzbranche Karriere machen zu können.
Das sind Widerstandsfähigkeit, intellektuelle Neugier und Selbstvertrauen. Und natürlich die Fähigkeit zum Netzwerken!

Vielen Dank für das Interview, und dass Sie sich ein zweites Mal die Zeit genommen haben, Frau Navidi!

Foto: Heribert Karch

Cover

Wir haben das Buch auf unserer Seite rezensiert. Here geht’s zur Buchbesprechung.

 

 

 

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Anke Dembowski

Anke Dembowski is a financial journalist and author of various investment fund-related and other financial books. She is also a co-founder of the "Fondsfrauen" network.

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