In diesem Jahr dürfen wir einen enormen demokratischen Fortschritt feiern: 100 Jahre Frauenwahlrecht in Deutschland und Österreich! Im November 1918 erhielten Frauen in beiden Ländern mit dem aktiven und passiven Wahlrecht die volle politische Partizipation.

Gefürchtet und veräppelt
Als vor rund 100 Jahren das Frauenwahlrecht in verschiedenen Ländern eingeführt wurde, muss es einigen Menschen komisch vorgekommen sein, dass auch Frauen ernsthaft an politischen Abstimmungen teilnehmen durften. Von „Damenwahl“ wurde da despektierlich gesprochen und in zahlreichen Karikaturen machte man sich darüber lustig. In den USA gab es Anfang des 20. Jahrhunderts, als der Gedanke an das Frauenwahlrecht weltweit öffentlich Fuß fasste, sogar „Antisuffragisten-Organisationen“, die Stimmung gegen die Wahlbeteiligung von Frauen machten. Auf der anderen Seite wurde beispielsweise 1904 in Berlin die „International Woman Suffrage Alliance“ gegründet (suffrage = Wahlrecht).

Die Kämpferinnen von damals mussten klug und vorsichtig agieren. Sie wurden durch die Polizei drangsaliert, von vielen – auch von Frauen – angefeindet und mit allen möglichen Mitteln versucht mundtot zu machen. Um sich gegenseitig Mut zu machen und solidarisch zu zeigen, trugen die britischen Suffragetten, die sich öffentlich für die Sache aussprachen, die Farben Lila, Weiss und Grün – Lila für die Würde der Frauen, Weiß für die Reinheit ihres Anliegens und Grün für die Hoffnung.

Nach und nach ließ sich aber die Bewegung auch von den verstocktesten Gegnern nicht aufhalten. Es erstaunt vielleicht, dass das Frauenwahlrecht zuerst auf der Pazifik-Insel Pitcairn (1838), in der kolumbianischen Stadt Vélez (1853) und im US-Bundesstaat Wyoming (1869) sowie in Neuseeland (1893) eingeführt wurde.

Die Welle rollt und rollt…
In Europa kam es erst im 20. Jahrhundert zum Frauenwahlrecht. Finnland nahm dabei 1906 die Vorreiter-Rolle ein, es folgten Norwegen (1913), Dänemark (1915), die Niederlande (1917), Russland (1917), Deutschland und Österreich (beide 1918). Die deutsche Reichsregierung verkündete am 12. November 1918: „Alle Wahlen zu öffentlichen Körperschaften sind fortan nach dem gleichen, geheimen, direkten, allgemeinen Wahlrecht auf Grund des proportionalen Wahlsystems für alle mindestens 20 Jahre alten männlichen und weiblichen Personen zu vollziehen.“

Die Idee griff immer weiter um sich. Die US-Präsidentschaftswahl von 1920 war die erste US-Bundeswahl, bei der auch Frauen mit abstimmen durften, 1928 folgte Großbritannien, 1931 Spanien, 1934 die Türkei, 1936 Frankreich, 1946 Italien und 1950 Indien. Die Schweizerinnen durften ab 1971 auf Bundesebene mitstimmen, wobei der Kanton Appenzell Innerrhoden erst 1990 aufgrund eines bundesgerichtlichen Entscheids Frauen das Wahlrecht gab. Ach ja, 1984 folgte Liechtenstein und 2005 Kuwait. Gut 100 Jahre nach den ersten weiblichen Wahlbeteiligungen durften am 12. Dezember 2015 auch Frauen in Saudi-Arabien erstmals an den Kommunalwahlen teilnehmen.

Wer tiefer in das Thema einsteigen möchte, kann eine der zahlreichen Ausstellungen besuchen, die es in diesem Jahr dazu geben wird. So plant z.B. das Historische Museum in Frankfurt/Main eine Sonderausstellung zwischen August 2018 und Januar 2019, oder das Bonner Frauenmuseum lädt am 9. März zu einem abwechslungsreichen Programm ein. Außerdem ist der Film „Suffragetten“ mit Meryl Streep in der Rolle der britischen Frauenrechts-Kämpferin Emmeline Pankhurst wenig kuschelig, aber äußerst empfehlenswert.

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Anke Dembowski

Anke Dembowski is a financial journalist and author of various investment fund-related and other financial books. She is also a co-founder of the "Fondsfrauen" network.

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