Die Einkommensungleichheit der Geschlechter wird normalerweise mithilfe des Gender Pay Gap gemessen. Der liegt aktuell bei 21 Prozent. Wird jedoch das gesamte Arbeitsleben berücksichtigt, ist die Einkommenslücke bei Frauen fast doppelt so hoch. Zu diesem Ergebnis kommt das Hamburgische WeltWirtschaftsinstitut (HWWI) in seiner neuesten Untersuchung.

Für die Studie analysierten die Forscher Daten von 93.722 Frauen und Männern der Jahrgänge 1950 bis 1964 aus 21 Berufssegmenten. Dabei wurde untersucht, wie viel Lebenserwerbseinkommen („Gender Lifetime Earnings Gap“) sich in 30 Jahren angesammelt hatte. Es zeigt sich, dass Frauen im Erwerbsverlauf durchschnittlich 49,8 Prozent weniger Einkommen erzielen als Männer. Somit müssen sie vielfach höhere Einkommenseinbußen hinnehmen, als es der Gender Pay Gap suggeriert.

Die Lücke ist am unteren Ende der Lebenseinkommensverteilung am höchsten und nimmt mit steigendem Einkommen ab. Die Einkommenslücke liegt bei den untersten fünf Prozent der Verdienenden bei 69 Prozent. Bei den obersten fünf Prozent beträgt sie nur noch rund 34 Prozent. Bei der Betrachtung des Alters der Frauen wird deutlich, dass sich die Lücke bis zum 47. Lebensjahr auf 47 Prozent aufbaut. Allerdings ist die Dynamik bis zum 35. Lebensjahr am größten.

Erwerbsunterbrechungen und Teilzeit führen zu erheblichen Einkommenseinbußen
Die Untersuchung zeigt zudem, dass familienbedingte Auszeiten bei Frauen langfristig keinesfalls lohnneutral sind. Ganz im Gegenteil. Frauen erleiden erhebliche Einkommensverluste gegenüber durchgängig vollzeitbeschäftigten Frauen gleicher Bildung. Unterbrechungseffekte sind somit im Umfang weitaus größer als die Geschlechtereffekte.

Neben der Berufswahl spielt also auch die Gestaltung der Erwerbsbiografie eine wichtige Rolle für das erzielbare Lebenserwerbseinkommen. Jedoch bleibt der Geschlechterunterschied auch hierbei erhalten, wie Studienleiterin Christina Boll erläutert: „Auch wenn Männer und Frauen mit gleicher Erwerbsbiografie verglichen werden, sieht man ein deutlich geringeres Einkommen bei Frauen.“

Berufswahl hat Auswirkungen
Zudem kann der Studie entnommen werden, dass auch die Berufswahl die Einkommensentwicklung von Männern und Frauen beeinflusst. Auf der Ebene einzelner Berufssegmente liegt das angehäufte Einkommen von Frauen im Alter von 30 Jahren teilweise noch über dem der Männer. Das betrifft speziell Frauen in Sozialpflegeberufen und Arztberufen. Somit führt ein genderuntypisches Berufswahlverhalten junger Frauen nicht generell zu einem höheren Fraueneinkommen.

Speziell in den sozialpflegerischen und verwaltungstechnischen Berufen können Frauen, die auf Unterbrechungen ihrer Vollzeitbeschäftigung weitgehend verzichten, höhere Einkommen als Männer erzielen. Sie häufen zudem in diesen Branchen höhere Einkommen an als Frauen in männerdominierten gewerblichen Berufen. Dennoch sammeln Männer in allen untersuchten Berufssegmenten bereits im Alter von 35 Jahren mehr Einkommen an als Frauen.

Gastbeitrag_Einkommenslücke


 

Über die Autorin:
Linda Standhardt arbeitet in der Online-Redaktion beim Deutschen Institut für Altersvorsorge (DIA). Neben dem Schreiben von redaktionellen Beiträgen betreut sie dort auch die Social Media-Kanäle. www.dia-vorsorge.de.

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