Wir sprechen mit Sonja Albers, Vorstands-Mitglied bei Union Investment und Mitglied im Vorstand des Branchenverbands BVI über Diversity und Inklusion.

Sonja, im März bist Du offiziell in den Vorstand von Union Investment eingetreten. Was sind dort Deine Aufgaben?
Ich arbeite seit 1998 bei Union Investment, zuletzt seit 2008 als Bereichsleiterin Konzern-Personal. Jetzt im Vorstand gehört daher HR zu meinem Verantwortungsbereich, außerdem Legal & Compliance sowie Fondsdienstleistungen.

Was willst Du als Vorstandsmitglied bei Union Investment in puncto (Gender-)Diversity ändern?
Es geht mir weniger um ein Ändern, sondern mehr darum, unsere Aktivitäten in diesem Bereich noch viel stärker in den Fokus unseres Handelns zu bringen. Diversität ist ein wichtiger strategischer Erfolgsfaktor für uns, denn diverse Teams treffen bessere Entscheidungen. Wir sind ein erfolgreiches Wachstumsunternehmen, daher müssen wir uns stetig weiter entwickeln, innovativ sein. Das gelingt diversen Unternehmen deutlich besser. Wir haben bereits eine Unternehmenskultur, die uns in unseren Bestrebungen nicht behindert und haben eine hohe intrinsische Motivation für dieses Thema. Was ich auch stärker fördern möchte ist, dass wir uns trotzdem diesbezüglich immer hinterfragen und auch möglicher blinder Flecken bewusst werden. Das wird ein Change Prozess, der anstrengend sein wird. So verstehe ich aber meine Rolle als Botschafterin für Diversity und Inklusion innerhalb des Vorstands

Ihr habt einmal die Texte Eurer Job-Anzeigen geändert, in der Hoffnung, dass sich dann mehr Frauen bewerben…
Richtig! Wir haben uns im Personalbereich die Frage gestellt: Wie müssen wir uns darstellen, damit sich mehr Frauen bei uns bewerben und wir bzgl. der Geschlechter attraktiver werden. Wie treten wir überhaupt am Arbeitsmarkt auf? Das fängt z.B. mit der Bildwelt an. Seit mehreren Jahren achten wir drauf, dass wir diverse Teams abbilden: Verschiedene Kulturen, Generationen, Gender. Wir haben uns kritisch überprüft: Wie sprechen wir unsere Kandidatinnen und Kandidaten an, außer dem gesetzlich vorgeschriebenen „m, w, d“? Wir haben unsere Wortwelt geändert, unsere Anzeigen „wärmer“ formuliert, weil wir mit dieser Ansprache weibliche oder diverse Geschlechter besser erreichen. Damit haben wir sehr gute Erfolge erzielt und auch im Anschluss unsere gesamten Karriereseiten überarbeitet. Uns war es wichtig, unser Unternehmen authentisch darzustellen. Gleichwohl haben wir unsere Diversitätsziele noch nicht erreicht.

Wie willst Du diese Ziele erreichen?
Wir waren bisher schon stark in der allgemeinen Diskussion: Wir müssen, wir sollten… Womöglich kam es dann aber zu selten zu konkreten Zielvorstellungen und Handlungen. Wenn eine Abteilung sagt: „Wir möchten mehr Frauen in unserem Geschäftsbereich.“ Was hindert uns daran? Vor über einem Jahr haben wir beschlossen, dass wir das weiter unterstützen wollen.

Was habt Ihr konkret getan?
Wir haben ein Diversity-Council eingerichtet, in dem wir zukunftsorientiert die Themen Diversity und Inklusion bei uns im Hause strukturieren und etablieren. Ziel ist es, eine konkrete Strategie zu entwickeln, Zielgrößen bzw. konkrete KPIs zu entwickeln und Maßnahmen abzuleiten.

Übrigens hat gerade heute, wo wir sprechen, das Diversity-Council seine konstituierende Sitzung. Ab jetzt nimmt es Fahrt auf. Ich bin Schirmherrin, geleitet wird das Council von einer Führungskraft aus dem Front Business, die ansonsten für den institutionellen Vertrieb im Non-Geno-Bereich zuständig ist. Das zeigt auch: Es ist kein weiches Personalthema, sondern ein klares Thema für‘s Business!

Wie ist das Feedback innerhalb der Firma?
Insgesamt sehr positiv. Die Tonalität ist: Das ist ein wichtiges Thema, toll dass wir das jetzt auf strukturiertere Füße stellen! Es ist eine Aufbruchstimmung entstanden. Die Bereitschaft mitzumachen, war übrigens sehr groß. Das Diversity-Council ist gleichermaßen mit Führungskräften sowie Teilnehmer(innen) aus allen Hierarchiestufen und Bereichen besetzt.

Wie messt und reportet Ihr bei Euch im Unternehmen Eure Fortschritte im Bereich Diversity & Inklusion?
Im Moment ist das rudimentär. Natürlich haben wir die klassischen Strukturanalysen: Altersstruktur, Geschlechterquoten und so weiter. Aber das Thema war bisher noch nicht in eine Gesamt-Strategie gegossen. Eine solche Diversity-Strategie entwickelt jetzt das Diversity-Council. Unser klares Ziel ist uns heterogener aufzustellen. Beispielseise wollen wir unseren Anteil von Frauen in Fach- und Führungspositionen deutlich steigern. Aktuell haben wir knapp unter 20% weibliche Führungskräfte. Damit liegen wir im Branchenvergleich zwar gut, aber wir wollen dies vorantreiben.

Wenn mir meine Kollegen glaubwürdig sagen: „Ich würde gern mehr Frauen einstellen, aber ich finde keine!“, dann müssen wir überlegen: Wie kann ich das anders gestalten? Das wird anstrengend, aber ich bin überzeugt, dass es geht!

Sind Fortschritte im Bereich Diversity & Inklusion für Eure Führungskräfte bonus-relevant?
Bisher noch nicht. Wir haben für den Vorstand personalwirtschaftliche Ziele, wobei sich ein Teil auch auf Diversity bezieht. Für die Führungsebenen darunter werden wir prüfen, inwieweit wir dies auch in den Zielen und der variablen Vergütung berücksichtigen. Am Ende ist Diversity & Inklusion eine Führungsaufgabe, die nicht delegierbar ist.

Du bist kürzlich auch in den Vorstand des Fondsverbands BVI eingezogen. Wie viele Frauen sind in dem Gremium, und was sind dort Deine Aufgaben?
Der BVI-Vorstand hat 7 Mitglieder, und ich bin derzeit die einzige Frau. Der Vorstand nimmt die klassischen Vorstandsaufgaben wahr, die formaler Natur sind, wie z.B. die Koordination der Interessen der Mitglieder. Der BVI vertritt die Interessen der deutschen Fondswirtschaft gegenüber Politik und Regulatoren. Wir treten für eine sinnvolle Regulierung ein, für faire Wettbewerbsbedingungen, die Stärkung des Finanzplatzes Deutschland. Wichtig ist mir hier z.B. die Reform der privaten Altersversorgung, insbesondere eine Anpassung bei den Beitragsgarantien, aber auch Nachhaltigkeit und die Taxonomie mit pragmatischen Bedingungen.

Und was gibt es Deiner Meinung nach im Branchenverband in Sachen Gender-Diversity zu tun?
Gender-Diversity ist kein klassisches Branchenverbands-Thema, sondern eher ein Thema der einzelnen Mitglieds-Unternehmen.

Was hat Dich als junge Frau persönlich bewegt, sich für die Fondsbranche zu interessieren, und letztlich dort zu arbeiten?
Eigentlich habe ich mich gar nicht aktiv für die Fondsbranche entschieden, sondern für die Funktion. 1998 startete ich bei Union Investment. Ich wollte im Personalcontrolling tätig sein und kannte damals Union Investment gar nicht wirklich. Erst mit meinem Berufsstart habe ich die Fondsbranche kennengelernt und mich immer stärker dafür interessiert. Es ist nämlich eine tolle und sinnstiftende Branche, denn es geht darum, Wohlstand zu sichern.

Wie sah Deine Ausbildung davor aus?
Ich habe Wirtschaftswissenschaften studiert, mit den Schwerpunkten Personal sowie Wirtschaftsprüfung & Controlling. Mein Ziel war, im Personalbereich, aber auch analytisch tätig zu sein und habe mich daher damals auf eine Stelle im Personalcontrolling beworben.

Apropos Fachkräftemangel: Was können wir alle gemeinsam tun, damit sich junge Frauen stärker für die Finanzbranche interessieren und dort gerne arbeiten wollen?
Wir sollten mehr darüber kommunizieren, was für eine interessante, dynamische, spannende und sinnstiftende Branche es ist. Bei uns geht es darum, Vermögen für Kunden zu vermehren und den Menschen bis ins Alter Wohlstand zu sichern. Die Wahrnehmung ist häufig, dass unsere Branche eher männerdominiert, wettbewerbsorientiert und ausschließlich profitmaximierend ist. Dies ist aber faktisch nicht so.

Außerdem können wir stärker herausstellen, was es für interessante Jobs in unserer Branche gibt. Die Fondsbranche ist ein Wachstumsmarkt, mit äußerst guten Chancen sich weiterzuentwickeln, aber auch mit einer guten Work-Life-Balance. Ich kann jeder Frau nur dazu raten, sich für die Finanzbranche zu interessieren!

Hast Du das Gefühl, dass sich durch Deinen Eintritt in den Vorstand die Stimmung, der Ablauf und eventuell die Dauer der Vorstands-Sitzungen geändert hat?
Es ändert sich immer etwas, wenn sich ein Team ändert. Ich nehme das nicht so bewusst wahr, aber jetzt wo Du mich darauf ansprichst, glaube ich schon, dass sich die Teammitglieder anders verhalten. Ob das daran liegt, dass ich eine Frau bin oder Sonja Albers vermag ich nicht zu beurteilen.

Vielen Dank für das Gespräch, und viel Erfolg mit Eurem Diversity-Council!

Profilbild von Anke Dembowski

Anke Dembowski

Anke Dembowski ist Finanzjournalistin und Autorin verschiedener Investmentfonds- und anderer Finanzbücher. Sie ist außerdem Mit-Gründerin des Netzwerks „Fondsfrauen".

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