• Der Frauenanteil in den Aufsichtsräten der DAX-40-Unternehmen erreicht mit 35,1% neuen historischen Höchstwert (Aktionärsvertreterseite)
  • Auch Internationalität erreicht Höchststand: 36% der DAX-Aufsichtsräte nicht aus Deutschland
  • Zahl der Aufsichtsräte mit Nachhaltigkeits-Ausschuss hat sich verdreifacht
  • Weniger Verflechtung: Zahl der Mehrfachmandate kleiner denn je
  • Mehr Dynamik: neue Amtszeiten mit durchschnittlich 3,2 Jahren so kurz wie nie zuvor
  • Weniger Mitbestimmung: Anzahl paritätisch besetzter Aufsichtsräte auf Tiefstand

Die Aufsichtsräte der 40 größten deutschen börsennotierten Unternehmen sind so vielfältig besetzt wie nie zuvor: Der Frauenanteil im DAX 40 erreicht mit 35,1% einen neuen historischen Höchstwert (Aktionärsvertreterseite). Es ist der höchste Anstieg innerhalb eines Jahres (+2,4 Prozentpunkte) seit 2018. Nimmt man die Arbeitnehmervertreterinnen hinzu, ist der Anteil auf aktuell 37,1% gestiegen. Das zeigt die jährliche Analyse der DAX-Aufsichtsräte durch die Personalberatung Russell Reynolds Associates, die sich u.a. mit der Besetzung von Aufsichtsräten befasst.

Der DAX hat damit den Rückgang beim Frauenanteil in Aufsichtsräten nach der Aufstockung auf 40 Unternehmen im letzten Jahr mehr als wettgemacht. Sieben der 40 Unternehmen haben jetzt 50% Frauen oder mehr im Aufsichtsrat (im Vorjahr drei). Bei weiteren neun Unternehmen liegt der Frauenanteil bei 40% oder mehr. Mit Porsche, Siemens Healthineers und Linde bleiben nur noch drei Unternehmen unter dem geforderten Wert von 30%. Aber nicht nur der Frauenanteil im DAX erreicht einen Höchststand, die deutschen Aufsichtsräte sind auch so international besetzt wie nie zuvor: 36% der Mitglieder der DAX 40-Aufsichtsräte kommen aus dem Ausland.

Auch in die Machtverteilung innerhalb der Aufsichtsräte ist Bewegung gekommen: Erstmals sind 10% der Aufsichtsratsvorsitzenden weiblich. Und bei 17% der Ausschüsse haben jetzt Frauen den Vorsitz (Vorjahr: 13%); beides sind neue Höchstwerte.

Vielfalt setzt sich auch in den nachgelagerten Ebenen fort
„Die zum Teil mühsame gesellschaftliche Debatte um mehr Vielfalt und Gleichberechtigung in Unternehmen hat sich gelohnt und trägt Früchte: Die DAX-Aufsichtsräte sind so vielfältig besetzt wie nie zuvor, und die Entwicklung zu mehr Diversität geht weiter. Allmählich zeigt sich die Signal- und Vorbildfunktion der Aufsichtsräte für das Top-Management, wo die Entwicklung zu mehr Vielfalt ebenfalls weiter voranschreitet und sich auf den darunter liegenden Führungsebenen fortsetzt. Die Aufsichts- und Führungskultur in den DAX-Unternehmen erlebt ihre bisher tiefgreifendste Transformation. Trotz aller Herausforderungen in der Umsetzung werden die Kontrollgremien und Vorstände letztlich gestärkt daraus hervorgehen“, sagt Jens-Thomas Pietralla, Leiter der Europäischen Board Practice von Russell Reynolds Associates.

Die zunehmende Diversität in Aufsichtsräten beginnt sich erstmalig auch auf den Führungsebenen 1 und 2 unterhalb der Vorstände deutlich auszuwirken. Dort ist der Frauenanteil innerhalb eines Jahres um fünf bzw. drei Prozentpunkte gestiegen, der höchste Anstieg in fünf Jahren.

Quelle: Russell Reynolds

Aufsichtsräte müssen heute schnell Leistung bringen
Gleichzeitig sind die DAX-Aufsichtsräte durchlässiger, dynamischer und weniger verflochten. Der Anteil der Aufsichtsräte mit Mehrfachmandaten (früher ein typisches Merkmal der sogenannten Deutschland AG) erreicht mit 10% seinen bisher niedrigsten Stand. Außerdem sind die Amtszeiten, für die die neuen Aufsichtsräte in diesem Jahr gewählt wurden, mit durchschnittlich 3,2 Jahren rund ein Viertel kürzer als der langjährige Mittelwert und damit so kurz wie nie zuvor. „Durch kürzere Amtszeiten können Aufsichtsräte schneller neu besetzt werden und agiler arbeiten“, sagt Dr. Thomas Tomkos, Leiter der Deutschen Board Practice von Russell Reynolds Associates. „Unternehmen müssen in immer kürzeren Abständen auf Veränderungen reagieren. Die Anforderungen an eine effektive Aufsicht wandeln sich auch immer schneller. Und Nachhaltigkeitskompetenz ist gefragter denn je. Dem tragen die Aufsichtsräte nun zunehmend Rechnung: Mehrfachmandate gehen stark zurück. Aufsichtsräte müssen schnell Wirkung entfalten. Und sie müssen Nachhaltigkeit von vornherein mitdenken können, oder in Ausschüssen verankern“, so Thomas Tomkos.

Nachhaltigkeit jetzt fest verankert
Nachhaltigkeit hat in ihrer Bedeutung im letzten Jahr in den DAX-Aufsichtsräten eine neue Dimension angenommen: Die Anzahl der Aufsichtsgremien mit einem Ausschuss für Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG) hat sich gegenüber dem Vorjahr verdreifacht; ein Drittel der DAX-Unternehmen hat jetzt einen ESG-Ausschuss. Zudem haben 15 der 40 DAX-Unternehmen (37%) ein Aufsichtsratsmitglied mit ausgewiesener Expertise in Nachhaltigkeit an Bord, davon sind 87% weiblich.

Paritätische Mitbestimmung nimmt ab
Bei der Arbeitnehmervertretung in Aufsichtsräten setzt sich der Trend zu weniger paritätischer Mitbestimmung fort: Die Anzahl der DAX-Unternehmen mit paritätisch besetzten Aufsichtsgremien verharrt auf dem Tiefststand des Vorjahres. Aktuell sind noch 70% der Aufsichtsräte paritätisch besetzt (28 von 40). 2015 waren es noch fast 100% (29 der damals 30 DAX-Unternehmen).

Profilbild von Anke Dembowski

Anke Dembowski

Anke Dembowski ist Finanzjournalistin und Autorin verschiedener Investmentfonds- und anderer Finanzbücher. Sie ist außerdem Mit-Gründerin des Netzwerks „Fondsfrauen".

Förderer