Der berufliche Wiedereinstieg – z.B. nach einer Familienpause – ist eine große Herausforderung, die überwiegend Frauen meistern müssen. Solange man noch daheim ist, kann man sich kaum vorstellen, in sein Tagesprogramm auch noch einen Arbeitstag zu integrieren; eventuell ist in der Zwischenzeit auch die Digitalisierung deutlich vorangeschritten oder es fehlt vielleicht am Selbstbewusstsein im Job. Wir sprechen dieses wichtige Thema mit Britta Mues-Walter an, die vor 2 Jahren mit &ahead ein Beratungsunternehmen gegründet hat, um Menschen nach einer Karrierepause beim Weg zurück ins Erwerbsleben zu unterstützen. Ihre Beobachtungen und Erfahrungen sind höchst interessant! Lest hier den 1. Teil des Interviews; der 2. Teil folgt in Kürze!

Wiedereinsteigerinnen in den Beruf… was macht den Wiedereinstieg für viele Frauen so schwierig?
Meistens sind Karrierepausen bedingt durch die Familie, z.B. durch Kinder oder die Pflege der Eltern, manchmal auch durch einen Auslandsaufenthalt des Partners. Für berufliche Wiedereinsteiger*innen nach einer Karrierepause stellen sich dann meist spezifische Fragen: Wo soll ich anfangen? Will ich wieder dort anknüpfen, wo ich aufgehört habe, oder habe ich neue Fähigkeiten oder Interessen erworben, denen ich nachgehen möchte? Wer kann mir bei der Erstellung meiner Bewerbungsunterlagen und Interview-Vorbereitung helfen? Was hat sich verändert? Bin ich noch aktuell genug? Viele hadern mit dem mangelnden Selbstvertrauen in beruflicher Hinsicht. Es ist wie mit einem Sport, den man jahrelang nicht ausgeübt hat: Ich habe es nicht verlernt aber ich muss zunächst wieder reinkommen, Übung haben, mich langsam ran tasten, um dann wieder volle Fahrt aufzunehmen.

Wie kamt Ihr auf die Idee, zu diesem Thema ein Beratungsunternehmen zu gründen?
Bislang gab es in Deutschland keine solche Plattform für Wiedereinsteiger*innen, an die man sich vertrauensvoll wenden konnte, und wo man im Bewerbungsprozess professionell von Experten betreut und mit potenziellen Arbeitgebern zusammen gebracht wird. Wir dachten uns, dass Wiedereinsteiger*innen einen geschützten Raum mit konkreten Angeboten für ihren Wiedereinstieg benötigen und bieten das nun an, mit &ahead.

Wie lange waren die Frauen aus deiner Erfahrung im Schnitt draußen aus ihrem Beruf?
Im Durschnitt sind es ca. 5 bis 7 Jahre. Wir haben in unserer Community Frauen, die über 10 Jahre „draußen“ waren und auch welche (übrigens auch Männer), die weniger als ein Jahr aus dem Arbeitsmarkt sind, sich aber beispielsweise in einem anderen Land neu orientieren müssen.

Gibt es eine Dauer, die man nicht überschreiten sollte, weil der Wiedereinstieg sonst einfach zu schwer wird?
Das würde ich nicht sagen. Meiner Ansicht nach ist das Wichtigste, den Wiedereinstiegsprozess schrittweise und nicht überstürzt anzugehen. Wir bieten hierbei eine Struktur. Die Methodologie die wir empfehlen, nennt sich die 3 C´s: Clarity, Create & Connect. Jeder sollte sie durchlaufen, aber benötigt unterschiedlich viel oder wenig Zeit für die einzelnen Schritte. Ich sage immer: Die Karriere berufstätiger Eltern gleicht einem Marathon mit einigen Sprints. Dafür benötigt man einen langen Atem und muss immer wieder bereit sein, die Extra Meile zu gehen. Ein Zuckerschlecken ist das nicht!

Auf was kommt es denn beim Wiedereinstiegs-Prozess an?
Wenn ich schon genau weiß, wo ich wieder einsteigen will, sieht mein Prozess anders aus als wenn ich erst noch herausfinden möchte, welcher Einstieg am besten zu mir passt. Wenn ich über ein beruflich aktives und gepflegtes Netzwerk verfüge, fällt es mir natürlich leichter wieder anzuknüpfen als wenn ich ein Netzwerk in einem anderen Land neu aufbauen muss. Wir unterstützen hier gezielt und individuell, gleichzeitig aber immer nach einer einheitlichen und schrittweisen Struktur.

Was sind für die meisten Wiedereinsteigerinnen die Beweggründe, wieder in den Job zurückzukehren?
Die Beweggründe sind sehr vielschichtig. Bei der einen steht der finanzielle Druck im Vordergrund, bei der anderen die berufliche Selbstverwirklichung oder der Wunsch nach monetärer und beruflicher Anerkennung oder die Unabhängigkeit. Viele der sehr gut ausgebildeten Talente verfügen über mehrjährige Berufserfahrung und sind in einer Zeit des beruflichen Aufstiegs. Bei Frauen, die Kinder bekommen, ist das oft mit ca. 30 bis 35 Jahren. Bei mir persönlich war das damals, kurz bevor ich Partnerin geworden wäre. Viele stecken dann aus Rücksicht auf die Familie beruflich zurück. Sobald der Zeitpunkt für den Wiedereinstieg gekommen ist, ist auch die Energie wieder da, und die Motivation, sich professionell zu positionieren, und die in der Pause neu gewonnen Fähigkeiten beruflich einzubringen. Viele suchen auch nach einer Position, die sie stärker erfüllt, kennen sich nun noch besser und wollen für ein großes Ganzes, an das sie glauben, einen Beitrag leisten.

Sollten Wiedereinsteigerinnen erst mal einen 60- oder 80%-Job annehmen oder lieber gleich auf 100% gehen?
Das ist sehr individuell und ist eine Entscheidung, die jede Wiedereinsteigerin auf Basis ihrer jeweiligen Situation und dem Empfinden für die richtige Work-Life-Balance treffen muss. Viele Frauen, die ich kennengelernt habe, kehren auf 70-80%-Basis zurück, um sich Freiraum zu verschaffen, um Familie und Beruf besser zu vereinbaren. Wir beobachten jedoch, dass davon vor allem der Arbeitgeber profitiert, denn die meisten Frauen arbeiten am Ende doch 100%. Sie holen zwar irgendwann ihre Kinder ab, weil sie noch Zeit mit ihnen verbringen wollen, aber abends, wenn sie im Bett liegen, hängen sie noch 1 bis 2 Stunden dran. Deshalb empfehlen wir, über den 100%-Wiedereinstieg nachzudenken, weil man den meistens ohnehin liefert; warum sollte man sich dann nicht auch 100% dafür bezahlen lassen? Wir berufstätigen Mütter sind besonders effizient, weil unsere Zeit begrenzt ist! Zudem wird man auch im Kollegenkreis mit einem 100%-Job ernster genommen. Ein weiteres Modell ist eine stufenweise Annäherung an die optimale Balance: Beispielsweise mit 80% starten und nach 6 Monaten reflektieren und dann gegebenenfalls auf 100% gehen, wenn sich alles gut eingespielt hat, oder eben zu reduzieren, wenn es einem zu viel vorkommt.

Vielen Dank, Britta! Wir sind schon gespannt auf den 2. Teil des Interviews! Bis bald!


Britta Mues-Walter ist Partner & Co-Founder von &ahead
My Career and Child Community
www.andahead.com
LinkedIn: https://www.linkedin.com/in/britta-mues-walter-1044198/

Profilbild von Anke Dembowski

Anke Dembowski

Anke Dembowski ist Finanzjournalistin und Autorin verschiedener Investmentfonds- und anderer Finanzbücher. Sie ist außerdem Mit-Gründerin des Netzwerks „Fondsfrauen".

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