Der Zeitgeist weht derzeit in Richtung Frauen, aber die gesetzlichen Konsequenzen sind noch nicht in allen Köpfen angelangt.

108 Großunternehmen in Deutschland
Mittlerweile ist die Frauenquote für Groß-Unternehmen umfassend diskutiert worden. Gemäß dem am 27. März 2015 vom Bundesrat verabschiedeten „Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst“ müssen Großunternehmen in Deutschland eine fixe Frauenquote für den Aufsichtsrat erreichen. Die großen börsennotierten Unternehmen, in denen die Arbeitnehmer voll mitbestimmungsberechtigt sind, müssen demnach von 2016 an bei der neuen Besetzung von Aufsichtsratsposten einen 30-Prozent-Anteil einhalten, oder der Sitz bleibt frei. 108 börsennotierte Unternehmen in Deutschland fallen in diese Kategorie.

Zielgrößen für 3.500 weitere Unternehmen
Weniger in den Köpfen sind hingegen die Zielgrößen für den Frauenanteil, auf die sich auch andere Firmen festlegen müssen. Hier steht vielen größeren Unternehmen kurz nach den Sommerferien eine Deadline ins Haus, über die sich viele Verantwortliche wohl nicht so recht bewusst sind: „Deutsche Unternehmen, die börsennotiert oder mitbestimmt sind, müssen spätestens bis 30. September 2015 intern ihre individuelle Zielgröße für den Frauenanteil in Aufsichtsrat, Vorstand und auf den Leitungsebenen eins und zwei festsetzen“, erklärt Angelika Huber-Straßer, Bereichsvorstand Corporates bei KPMG in München. Sie fährt fort: „Diese Regelung betrifft rund 3.500 Unternehmen, darunter auch viele Banken und Versicherungen. Der enge Zeitrahmen bedeutet, dass das Thema vor Ende September noch auf die Agenden der Aufsichtsrats- bzw. Vorstandssitzungen gebracht werden muss, da bis zum 30. September jeweils ein gültiger Aufsichtsrats- bzw. Vorstandsbeschluss benötigt wird.“

Auf der Fidar-Veranstaltung (Fidar = Initiative für mehr Frauen in die Aufsichtsräte) im Juli in Berlin wunderte sich der Oberbürgermeister von Düsseldorf, Thomas Geisel, dass diese Regelung auch für kommunale Unternehmen gilt, wenn diese mehr als 500 Mitarbeiter haben.

Comply or explain
Sind die angestrebten Zielgrößen für den Frauenanteil einmal festgelegt, sind die Unternehmen verpflichtet erstmalig bis spätestens 30. Juni 2017 zu überprüfen, inwieweit sie diese erreicht haben. Mindestens alle fünf Jahre ist erneut zu prüfen. Bei Nicht-Erreichen der Zielgrößen müssen die Unternehmen die Gründe dafür im Jahresabschluss angeben. Das „Frauenquote-Gesetz“ sieht vor, dass die Unternehmen über die intern festgelegten Zielgrößen dann erstmals in ihrem Jahresabschluss mit Stichtag nach dem 30. September 2015 berichten müssen. „Die Abschlussprüfer müssen die Diversity-Angaben zwar nicht inhaltlich prüfen, aber sie prüfen auf Plausibilität und ob der entsprechende Beschluss überhaupt vorlag“, ergänzt Huber-Straßer.

Der Markt wird einen gewissen Druck ausüben
Gesetzliche Sanktionen wie zum Beispiel ein Ordnungsgeld sind bislang allerdings nicht vorgesehen, wenn die selbst auferlegten Zielgrößen nicht erreicht werden.

Tatsächlich schafft das neue Gesetz aber eine hohe Transparenz, und im Wettbewerb um die besten Talente, um Investoren oder gar um Aufträge spielen dann auch soziale Aspekte wie Gender-Gleichstellung eine wichtige Rolle. „Wir sehen, dass dieses Thema im Ausland zunehmend eine Rolle bei Ausschreibungen spielt, insbesondere bei der öffentlichen Hand“, verweist Huber-Straßer auf unternehmens-relevante Konsequenzen, „und auch im Bereich von Banken und Asset Managern kann ich mir gut vorstellen, dass Investoren in Zukunft öfter danach fragen.“

Gleichstellung auch auf EU-Ebene gefordert
Unternehmen aus anderen Ländern sollten sich nun keineswegs zurücklehnen und das Frauen-Gleichstellungsgesetz als deutsche Eigenheit abtun. Eine europäische Richtlinie zielt in eine sehr ähnliche Richtung: Spätestens am 6. Dezember 2016 muss die CSR-Richtlinie, die im Herbst letzten Jahres verabschiedet wurde, in nationales Recht umgesetzt sein. Diese EU-Richtlinie soll der Erhöhung der Unternehmenstransparenz in Sozial- und Umweltbelangen dienen. Die Unternehmen müssen die neuen Berichtspflichten voraussichtlich ab dem Geschäftsjahr 2017 berücksichtigen. Betroffen sind Unternehmen, die mehr als 500 Mitarbeiter beschäftigen und die von öffentlichem Interesse sind – also primär Banken, Versicherungen, Fondsgesellschaften.

Konsequenter Weise sollte das Thema Frauenquote nicht belächelt werden, sondern es ist eine der zahlreichen Regulierungs-Leitplanken, in denen sich Unternehmen bewegen müssen.
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Foto: Angelika Huber-Straßer, Bereichsvorstand Corporates bei KPMG in München

 

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Anke Dembowski

Anke Dembowski ist Finanzjournalistin und Autorin verschiedener Investmentfonds- und anderer Finanzbücher. Sie ist außerdem Mit-Gründerin des Netzwerks „Fondsfrauen".

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