Andrea Ueberschär arbeitet seit 1991 im Fixed-Income-Team der DWS und managt bei der Deutsche Asset Management neben dem DWS Vermögensbildungsfonds R auch die folgenden Fonds: Basler-Rentenfonds DWS, E.ON Rentenfonds DWS, DWS Euro-Bonds (Long), Postbank Europafonds Renten und Barmenia Renditefonds DWS. Insgesamt ist Frau Ueberschär verantwortlich für ein Fondsvermögen von rund 1,5 Milliarden Euro. Ueberschärs Flaggschiff ist der DWS Vermögensbildungsfonds R, der aktuell ein Volumen von 820 Mio. Euro aufweist. Dieser Fonds darf in alle Assetklassen des Rentenbereichs investieren, solange die Papiere über ein Investment-Grade-Rating verfügen (also mindestens BBB-) und in Euro denominiert sind: Von Staatspapieren über Covered Bonds, Emerging Market-Anleihen bis hin zu Unternehmensanleihen. Fondsfrau Anke Dembowski spricht mit Andrea Ueberschär über ihre Karriere als Fondsmanagerin.

Fondsfrauen: Frau Ueberschär, was reizt Sie an Ihrem Job als Fondsmanagerin besonders?
Andrea Ueberschär: Mich reizt, dass meine Woche vor allem hinsichtlich des Marktgeschehens nicht planbar ist. Ich muss ständig auf alles gefasst sein und das große Ganze im Blick haben. Über Nacht fällt in China ein Sack Reis um, und am nächsten Morgen komme ich ins Büro und muss überlegen, welche Auswirkungen das auf die Kapitalmärkte hat und wie ich agieren muss. Spannend finde ich auch, dass jedes Jahr andere Herausforderungen und neue Themen hat. Märkte reagieren nicht immer gleich auf Nachrichten. Geistige Beweglichkeit ist wichtig.

Das Unplanbare ist ja nicht jedermanns Sache. Bereitet Ihnen die Unsicherheit auch manchmal Unbehagen?
Ich finde das gerade das Spannende an meinem Job. Vor 30 Jahren habe ich eine klassische Trainee-Ausbildung bei der Deutschen Bank gemacht. Dabei habe ich auch in der Filiale gearbeitet und eine Kreditausbildung gemacht. Gerade der Kreditbereich ist sehr strukturiert mit wiederkehrenden Abläufen. Die Arbeit als Fondsmanagerin schätze ich besonders für ihre Vielfältigkeit.

Was hat den Ausschlag dafür gegeben, dass Sie Fondsmanagerin geworden sind? War das bei Ihnen gezielte Karriereplanung, oder zum Teil auch zufallsbedingt?
Ich bin in Belgien aufgewachsen und habe dort BWL mit Schwerpunkt Finance studiert, da mich der Finanzbereich schon immer interessierte. Nach meinem Studium wollte ich wieder nach Deutschland zurück, weil dort die Finanzinstitute größer und internationaler sind als in Belgien. Damals – Mitte der 80er Jahre – war der Kapitalmarkt gerade im Aufbau: Der D-Mark-Auslandsanleihen-Markt entstand, und SWAP-Märkte entwickelten sich gerade.

Aus diesem Grund habe ich mich damals bei der Deutschen Bank beworben. Da ich zum damaligen Zeitpunkt noch sehr jung war– Mitte 20 – habe ich erst ein klassisches Traineeprogramm durchlaufen. Im Nachhinein bin in ich darüber sehr froh, denn so konnte ich auch den Filialbetrieb kennenlernen. Dennoch tendierte ich aber mehr zu den Kapitalmärkten, und habe schließlich in der Börsenabteilung in Düsseldorf angefangen. Dort arbeitete ich im institutionellen Vertrieb. Ich habe damals deutsche Aktien an internationale Investoren verkauft, direkt nach dem Börsencrash 1987.

Wie kamen Sie dann ins Fondsmanagement?
Die Deutsche Bank suchte damals Mitarbeiter, die das Derivategeschäft der Deutschen Terminbörse für die Deutsche Bank mit aufbaut. Man hatte sich für ein computergesteuertes System und gegen das klassische open outcry-System entschieden, wie es noch in London und New York praktiziert wurde. So bin ich nach Frankfurt gekommen. Zunächst machte ich eine Market-Maker-Ausbildung. Dann wirkte ich am Aufbau des Aktienoptionshandels mit und ein Jahr später war ich beim Bundfuture-Projekt mit dabei. Das interessierte mich sehr. Dort habe ich institutionelle Kunden betreut – unter anderem auch die DWS. Da habe ich gemerkt, dass mir Renten mehr Spaß machen als Aktien.

Kann man da so hin und hergehen? Könnten Sie mit Ihrem Know How demnächst auch wieder einen Aktienfonds managen?
Ja, das wäre nach einer gewissen Einarbeitungszeit möglich

Wie ging’s dann weiter bei Ihnen?
Auf der Rentenseite war ich erneut im Sales-Bereich tätig. Dabei gibt man Markt-Einschätzungen und Empfehlungen an seine Kunden weiter, aber man trifft letztendlich nicht die Entscheidung, ob man nun Bund Futures kauft oder verkauft. Ich wollte aber lieber auf der Seite sein, bei der  man die Entscheidungen trifft und daher wollte ich mich Richtung Portfoliomanagement weiterentwickeln. Ich habe mich als erstes bei der Deutschen Bank nach den Möglichkeiten umgeschaut, was dann auch geklappt hat. So bin ich im November 1991 auf die Rentenseite der DWS gewechselt. Dort war ich zunächst für Derivate zuständig, neues Know How, das damals sehr gesucht war. Ich habe dann bald Fondsverantwortung bekommen und bin in dem Bereich geblieben.

Waren Sie eigentlich schon als Schülerin gut in Mathematik? Und ist ein gutes Mathe-Verständnis tatsächlich Grundvoraussetzung, wenn man Fondsmanagerin werden möchte?
Ja, ich war immer gut in Mathe. Es war sogar einer meiner Leistungskurse. Aber ich bin nicht der Ansicht, dass eine Spitzennote in Mathe  unbedingt d i e  Grundvoraussetzung ist, um eine gute Fondsmanagerin zu sein.

Was ist denn wichtig?
Viel wichtiger sind meines Erachtens Entscheidungsfreude, das kritische Hinterfragen von Dingen, sich eine eigene Meinung bilden zu können, und dann auch Meinungsstärke zu beweisen. Einerseits muss man bei seiner Meinung bleiben, wenn man von etwas überzeugt ist, und andererseits muss man, wenn etwas passiert, auch hinterfragen: Stimmt das so noch? Oder muss ich meine Meinung ändern und die Fondspositionen entsprechend anpassen? Analytisches Denken braucht man natürlich auch – insbesondere bei festverzinslichen Wertpapieren. Je nachdem was geopolitisch, geldmarktpolitisch oder wirtschaftlich passiert, muss man das in Zusammenhang bringen können. Ein Fondsmanager muss zügig überlegen, welchen Einfluss das auf die Kapitalmärkte haben wird und auf die Produkte, die man managt. Dazu muss man flexibel sein und mit offenen Augen durch die Welt gehen. Und zu guter Letzt braucht man Marktaffinität.

Gute Mathematik-Kenntnisse stehen bei Ihnen nicht ganz oben auf der Prioritätenliste. Mir kommt es so aber vor, als würden in letzter Zeit immer mehr Physiker und Mathematiker im Fondsmanagement eingestellt…
Ich sehe das natürlich durch meine Brille als aktive Rentenfondsmanagerin. Im passiven Fondsmanagement spielt Mathematik wahrscheinlich eine größere Rolle.

Was ist für Sie gerade an der Assetklasse Renten interessant?
Ich persönlich finde Renten spannender als Aktien, weil hier das volkswirtschaftliche Umfeld, der Ansatz, vom Großen zum Kleinen zu denken, sehr wichtig ist. Außerdem gibt es bei festverzinslichen Wertpapieren drei Dimensionen mehr als bei Aktien: 1. Die Duration, d.h. die Zinsbindungsdauer oder durchschnittliche Restlaufzeit. 2. Wie stelle ich die durchschnittliche Restlaufzeit dar, also wo positioniere ich mich auf der Zinsstrukturkurve? Schön gleichmäßig verteilt, oder mehr am längeren und kürzeren Ende oder in der Mitte? 3. Mehrere Risikoklassen. Ich kann z.B. in erstrangig besicherte oder in nachrangige Anleihen anlegen. Daher glaube ich, dass das Rentenfondsmanagement von den zur Verfügung stehenden Instrumenten facettenreicher als das Aktienfondsmanagement ist.

Sie sind mittlerweile 25 Jahre in der Fondsbranche tätig. Können Sie eine Entwicklung erkennen, wie es um Frauen im Fondsmanagement oder um Frauen in den Führungsetagen bestellt ist?
Ich finde, mittlerweile werden im Asset Management mehr Frauen gesucht als früher. Ich bin jetzt seit 25 Jahren bei der DWS. Damals habe ich als vierte Frau von 12 Fondsmanagern im Rentenfondsmanagement angefangen – das war Anfang der 90er Jahre sehr fortschrittlich. Bei der DWS bin ich gleich in ein sehr professionelles und forderndes Umfeld gekommen, was einen gerade als jungen Menschen sehr prägt und voranbringt. Von daher glaube ich, dass Frauen auch in Männerdomänen ihren Weg finden können, wenn sie wollen und dafür geeignet sind.

Haben Sie auf Ihrem Karriere-Weg auch schon lustige oder eigenwillige Situationen erlebt, auf Grund der Tatsache, dass Sie eine Frau sind?
Eigentlich nicht – außer dass gelegentlich Post ankommt, die an Herrn Ueberschär gerichtet ist.

Wir Fondsfrauen haben eine Studie über Fondsmanager durchgeführt. Von den 661 Fonds, die in Deutschland domiziliert sind, sind uns 1.011 Fondsmanager namentlich bekannt. Davon sind nur 67 weiblich, das sind gerade einmal 6,6%. Haben Sie eine Erklärung, warum nur so wenige Frauen in Deutschland den Beruf des Fondsmanagers wählen? Ist dieser Job für Frauen nicht geeignet?
Ein Grund mag sein, dass es das Missverständnis gibt, dass dieser Job sehr Mathematik-orientiert ist. Vielleicht müsste man die Job-Beschreibungen ändern, dass man z.B. mehr Wert auf weiche Faktoren legt, wie Marktaffinität, Erkennen von Zusammenhängen, Meinungsstärke. Damit würde man sicher mehr Frauen ansprechen als es jetzt der Fall ist.

Was müsste Ihrer Meinung nach noch in der Fondsbranche verändert werden, damit mehr Frauen Fondsmanager werden – oder werden wollen?
Oft ist es so, dass Frauen gerade in jungen Jahren unsicherer wirken als Männer. Hier ist die Führung gefordert, auf die unterschiedlichen Stärken von Frauen und Männern einzugehen. Vielfältigkeit und Diversifizierung sind ja nicht nur in unserer Branche wichtig, sondern auch in anderen. Wir diskutieren hier sehr viel im Team. Wenn alle den gleichen Background haben, liefern alle auch nur den gleichen Input. Daher ist es wichtig im Team Menschen zu haben, die die Dinge aus einer anderen Sichtweise sehen. In so einem Umfeld muss man dann seine Meinung vertreten können. Auch wenn alle anderen eine andere Meinung haben, muss man den Mut haben zu sagen: Ich sehe das aber so und so, und zwar aus den und den Gründen – vielleicht auch wenn man dafür belächelt wird.

Und was raten Sie Frauen, die Analystin sind und das Ziel haben, Fondsmanagerin zu werden?
Wichtig für junge Frauen, die Fondsmanagerin werden wollen, ist, das ganz klar zu kommunizieren. Dann müssen sie dieses Ziel auch verfolgen und Initiative zeigen, wenn es Möglichkeiten dazu gibt, und nicht einfach abwarten. Aber, um eines klarzustellen: Man muss nicht zunächst Analystin sein, um Fondsmanagerin zu werden. Das ist nur einer von vielen Wegen – ich war beispielsweise nie Analystin.

Wir Frauen interessieren uns einfach dafür, wie es andere Frauen machen, auch wenn ich diese Frage einem Mann wohl so nicht stellen würde: Haben Sie zusätzlich zu Ihrem Beruf Familie, um die Sie sich kümmern müssen? Und wie organisieren Sie das?
Ich habe keine Kinder, aber mein Tag könnte trotzdem 48 Stunden haben, um alle Dinge unter einen Hut zu bekommen, mit denen ich mich gerne beschäftigen würde. Ich glaube, es ist eine Frage der Organisation und ob man Prioritäten setzen kann. Wir können nicht überall perfekt sein, vielmehr muss man sich Freiräume schaffen und Hilfe in Anspruch nehmen wollen. Wir haben bei der DWS viele Frauen, die Familie und Job kombinieren. Auch in Belgien ist es ganz normal, dass Mütter arbeiten.

Vielen Dank für das Interview, Frau Ueberschär!

 

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Anke Dembowski

Anke Dembowski ist Finanzjournalistin und Autorin verschiedener Investmentfonds- und anderer Finanzbücher. Sie ist außerdem Mit-Gründerin des Netzwerks „Fondsfrauen".

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