Bei einer der letzten Konferenzen, die ich besucht habe, traf ich einen Mann, der bis vor kurzem noch eine wichtige Position bei einer Pensionseinrichtung innehatte, dort für die Steuerung eines großen Vermögens mitverantwortlich war, und dann in den Ruhestand verabschiedet wurde.

Ich kannte ihn gut aus seiner beruflich aktiven Zeit. Bei unserem Gespräch wurde deutlich, dass er nicht zufrieden war mit seiner jetzigen Situation und händeringend eine seinen Qualifikationen und hochkarätigen Kontakten angemessene Aufgabe suchte. Männer haben ein gutes Gespür dafür, was es heißt, nicht mehr berufstätig zu sein, und davon können wir Frauen lernen – aber was?

Netzwerke wollen gepflegt werden
Auch wenn mein Gesprächspartner es anders formuliert hat, kam folgendes zu Tage: Wenn Du nicht mehr arbeitest, wirst Du von ehemaligen Berufskollegen und sonstigen Branchenteilnehmern nicht mehr als wichtig angesehen. Rein sachlich kannst Du ja auch nicht mehr viel bewirken in Deiner Branche. Sofern Du doch noch einen gewissen Einfluss hast, schmilzt er mit der Zeit dahin wie Schnee in der Sonne. Auch Dein Bekanntheitsgrad sinkt, denn es kommen viele Neue, die Dich schlicht nicht mehr kennen.

Aus diesem Grund wirst Du nicht mehr auf Konferenzen und Branchenevents eingeladen. Vielleicht liegt das auch daran, dass die Leute nicht wissen, wie sie Dich erreichen können – sie bräuchten ja Deine Privatadresse, da Dich Firmenpost nicht mehr erreicht. Solche Events machen aber nicht nur Spaß, sondern sie sind wichtig, um Kontakte zu knüpfen und zu pflegen, hier etwas zu hören, und sich dort zu zeigen – kurzum das Netzwerk am Laufen zu halten.

So schön die neue gewonnene Freizeit ist – meist wird sie erst einmal zu einer ausgiebigen Reise genutzt – so fad und fast schon „unnütz“ kommt manchem aus dem Berufsleben Ausgeschiedenen nach einer Weile das Leben vor. Nur noch Konsument von Waren und Dienstleistungen zu sein, ohne selbst aktiv zum BIP beizutragen, erscheint Finanzmarkt-geprägten Menschen in gewisser Weise „systemfremd“, auch wenn die Situation objektiv gesehen luxuriös ist. Ohne gelungenen Umdenk-Prozess nagt dies womöglich auch am Selbstwert-Gefühl.

Bei Männern ab einem gewissen Alter kann dies meiner Beobachtung nach dazu führen, dass sie davon ausgehen, von ihrem Umfeld als „Altlast“ angesehen zu werden. Ihre Existenz ist gesamtwirtschaftlich betrachtet eine „Liability“ – blöd wenn man selbst das so sieht, weil man Ökonom ist!

Auch die eigene Tagesplanung, die früher durch Arbeitszeiten, Wochenende und Urlaube weitgehend vorgegeben war, verliert ihre Struktur. Mütter und Väter, die einmal in Elternzeit waren, kennen das: Man wird morgens nicht fertig, braucht eine Stunde, bloß um ein paar Brötchen zu kaufen und abends, wenn man bei Freunden ist, signalisieren diese, dass sie beizeiten schlafen wollen, weil sie ja morgen wieder arbeiten müssten. Nicht jeder kommt gut damit zurecht, dass der Tag nicht mehr strukturiert ist und man bemerkt, dass man selbst ineffizient wird.

All diese Dinge werden natürlich individuell unterschiedlich stark wahrgenommen und sie können sowohl Frauen als auch Männer treffen. Aber ich glaube, Männer haben ein besseres Gespür für die Kehrseite der Luxus-Situation, nicht (mehr) arbeiten zu müssen, als Frauen.

Lange Auszeiten erschweren den Wiedereinstieg
Was sollten wir Frauen daraus lernen? Es ist begrüßenswert, dass wir in der modernen Arbeitswelt die Möglichkeit haben, für Kindererziehung, Pflege von Angehörigen oder für andere Dinge eine Auszeit nehmen zu können. Aber wir sollten auch daran denken, beizeiten wieder in den Job zurückzukehren. Netzwerke, berufliches Wissen und Fertigkeiten wollen gepflegt bzw. auf dem Laufenden gehalten werden. Wer zu lange „raus“ ist – für den wird der Wiedereinstieg umso schwerer und der weitere Karriereaufstieg wird nicht gerade gefördert.

Auch Firmen können hier unterstützen, indem sie den Kontakt zu Mitarbeitern in Eltern- oder Auszeit aufrecht halten. Das müssen keine großen Dinge sein, sondern vielleicht nur die eine oder andere Einladung zu einem Firmen-Event, einem Meeting, oder das Einkopieren in bestimmte E-Mail-Schleifen. So erleichtert man es den Mitarbeitern, beizeiten wieder zurückzukehren, und die mühsam aufgebauten Talente verschwinden nicht in der Versenkung. Nur Mut zum Kontakthalten!

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(Foto: Pixabay)

Profilbild von Anke Dembowski

Anke Dembowski

Anke Dembowski ist Finanzjournalistin und Autorin verschiedener Investmentfonds- und anderer Finanzbücher. Sie ist außerdem Mit-Gründerin des Netzwerks „Fondsfrauen".

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