Sandra Navidi spricht mit Fondsfrau Anke Dembowski über die Rolle der Frauen in der Finanzbranche, und wie sie anders agieren als ihre männlichen Peers. Das Interview fand im Rahmen des Institutionellen Altersvorsorge- und Investorengipfels am 9. und 10. Juni in Wien statt, den Barbara Bertolini ausgerichtet hat.

Fondsfrauen: Frau Navidi, Sie haben als Rechtsanwältin eine glanzvolle Karriere in der Finanzwelt gemacht und sind eine gefragte Expertin. Wer oder was hat Ihnen bei Ihrer Karriere am meisten geholfen?
Sandra Navidi: Intellektuelle Neugier und die Motivation, meine “Comfort Zone“ zu verlassen und Grenzen auszutesten. Ich wollte immer mit interessanten Menschen an interessanten Aufgaben arbeiten – möglichst international. Der pure Ehrgeiz an sich war weniger eine Antriebsfeder – vermutlich hätte ich sonst auch eher eine konventionelle Karriere gemacht.

Man sieht Sie viel in Deutschland und den USA. Wo ist eigentlich Ihr Wohnsitz, und was genau ist derzeit Ihre hauptsächliche Arbeit?
Ich bin vor 16 Jahren für ein Job-Angebot nach Amerika gegangen, was jetzt auch meine Wahlheimat ist. Aber mit Deutschland, wo ich geboren und aufgewachsen bin, bleibe ich immer verbunden. Mein Vater stammt aus dem Iran, ich bin immer viel gereist und habe an verschiedenen Orten studiert, vielleicht denke ich deshalb eher internationaler. Das hilft bei der Erfassung und Einordnung globaler Probleme. Mittlerweile ist die Globalisierung ja in einer Krise, weshalb ich meine Firma 2011 auch „BeyondGlobal“ genannt habe – wir brauchen ein neues Paradigma.

Sie haben vor kurzem Ihr Buch $uper-Hubs veröffentlicht, einen Spiegel Bestseller, den wir auch rezensiert haben. Dort schreiben Sie: „Über die Hälfte der Beschäftigten im Finanzwesen sind Frauen, aber nur 16% arbeiten in führenden Positionen, und in den größten US-Finanzfirmen sind es lediglich 5%.“ Was wäre Ihrer Meinung nach für Finanzunternehmen der Vorteil, wenn mehr Frauen in den Führungsetagen arbeiten?
Wir haben ja anhand der Finanzkrise gesehen, wohin ein zu homogenes Umfeld führt. Netzwerk-Mechanismen, die dafür sorgen dass alle Systeme mit der Zeit immer gleichförmiger werden, haben letztendlich auch das Finanzsystem in die Krise geführt. Die Forschung hat gezeigt, dass gemischte Systeme wesentlich widerstandsfähiger sind, das gilt sowohl für die Biologie, die Ökologie und überall – eben auch bei menschlichen Netzwerken. Frauen bringen andere Sichtweisen, Erfahrungen und Sensibilitäten mit ein, daher performen gemischte Umgebungen besser. Systeme sollten übrigens nicht nur in Bezug auf Gender, sondern auch ethisch und sozio-ökonomisch gemischt sein – idealerweise eine Reflektion der Gesellschaft.

Wäre Lehman Brothers nicht passiert, wenn es sich um Lehman Sisters gehandelt hätte?
Ich will es mal so sagen: Unter Dick Fuld stand Lehman Brothers unter einer extremen Macho-Kultur; der hat das Unternehmen quasi wie eine Armee geführt. Nur wer sich unterordnete, hatte Erfolg. Die einzige Frau dort an der Spitze war die Juristin Erin Callan, die Fuld ganz kurz vor der Pleite urplötzlich in die CFO-Position befördert hat, obwohl ihr eigentlich für diesen Posten die Erfahrung fehlte. Sie war bei Ausbruch der Krise dann der Buhmann, bzw. -frau. Ähnlich ist es auch Christine Lagarde bei der Anwaltskanzlei Baker & McKenzie ergangen. Bei beiden Frauen drängt sich der Verdacht auf, dass sie absichtlich häufig in “no-win situations” eingesetzt werden. Bei VW scheint auch eine ziemliche Machokultur geherrscht zu haben. Jetzt haben einige Top-Manager der Presse gesteckt – anonym natürlich – dass eine Kultur der Furcht geherrscht habe.

Was halten Sie von einer gesetzlichen Frauenquote, wie sie in Deutschland für große Unternehmen eingeführt wurde? Gelten dann die Frauen, die es schaffen, als „Quotenfrauen“, oder ist eine solche Quote hilfreich zur Gleichberechtigung von Frauen und Männern im Job?
Ich war früher keine Befürworterin der Quote, aber mittlerweile halte ich sie für unabdingbar. Ich bin nämlich inzwischen der Meinung, dass man anders die existierenden festen Strukturen nicht aufbrechen kann. Immer wieder wird das Argument gebracht „Wir würden ja so gerne Frauen einstellen, aber leider, leider finden wir keine qualifizierte!“ In den skandinavischen Ländern hat die Frauenquote zu einem beachtlichen Erfolg geführt.

A propos Frauenquote in den Aufsichtsgremien: Sind Sie eigentlich in einem Aufsichtsrat?
Nein. Ich wäre durchaus an einem Aufsichtsrats-Posten interessiert. Die notwendigen Qualifikationen habe ich: Ich bin als Rechtsanwältin sowohl in Deutschland als auch in den USA zugelassen, bin international gut vernetzt, etc. Aber bisher hat es sich nicht ergeben.

Wie unterscheidet sich Ihrer Meinung nach die Perspektive bzw. der Ansatz von Frauen und Männern, wenn es um das Lösen von Problemen geht?
Männer können viel unkomplizierter netzwerken. Frauen fühlen sich oft bemüßigt, unter Beweis zu stellen, dass sie sich wirklich alles hart erarbeitet haben und ihren Erfolg nicht ihrem Äußeren oder ihrem Charme verdanken. Dann tendieren sie häufig dazu, sich streng und rigide zu verhalten – ich schließe mich da mit ein. Männer untereinander können hingegen freundschaftlich miteinander umgehen, gemeinsam einen trinken gehen und so miteinander warm werden. Frauen sind eher darauf bedacht, dass bloß kein falscher Verdacht aufkommt, dass Signale nicht falsch verstanden werden, und so weiter. Das macht es schwieriger für Frauen in der Finanzbranche.

Ist das in der Finanzbranche anders als in anderen Branchen?
Ich glaube, dass es in der Finanzwelt etwas ausgeprägter ist, als in Branchen, in denen es traditionell etwas mehr Frauen gibt. Die Finanzwelt ist eben eine Männer-Domäne, da geht es in erster Linie um Dinge wie „mein Profit ist größer als Deiner.“

Die Denkweise oder der Ansatz bei der Entscheidungsfindung, sind da Frauen anders als Männer?
Verallgemeinerungen sind immer etwas schwierig, aber Frauen sind meiner Meinung nach häufig etwas umsichtiger. Sie stehen nicht so sehr unter Druck wie Männer, sich unter den anderen Alphamännchen beweisen zu müssen. Auch sind sie etwas risikoaverser – Studien haben ergeben, dass Risikobereitschaft direkt mit dem Testosteron-Level korreliert ist – und denken evolutionstechnisch bedingt langfristiger. Die FT hat viele Untersuchungen veröffentlicht; z.B. dass weibliche Traderinnen oder Fondsmanagerinnen besser performen. Allerdings gibt es hier immer weniger Frauen – aller Emanzipation zum Trotz ist hier ein rückläufiger Trend zu beobachten.

In der Untersuchung, die die Fondsfrauen angestellt haben, konnten wir keinen Performance-Unterschied zwischen weiblichen und männlichen Fondsmanagern feststellen – zumindest nicht bei europäischen UCITS.
Selbst wenn es keinen Unterschied gibt, stellt sich die Frage, warum in dem Bereich nicht mehr Frauen sind. Offenbar sind sie ja nicht schlechter.

Richtig! Gibt es denn Ihrer Meinung nach Bereiche, in denen Frauen talentierter sind als Männer, und wo schneiden vielleicht Männer besser ab?
Es gibt natürlich große individuelle Unterschiede, und durch die gesellschaftliche Sozialisierung werden verschieden ausgeprägte Anlagen noch anders kultiviert und gefördert. Ein Forschungsergebnis, das ich auch in meinem Buch erwähne, ist dass Frauen im Allgemeinen die nonverbale Kommunikation besser beherrschen. Bei den analytischen Fähigkeiten gibt es meiner Meinung nach bei Frauen und Männern eine ähnliche Streuung. Aber mein Hauptpunkt ist, dass ein gemischtes Umfeld zu einer besseren Performance beiträgt – schon daher sollte es in unserer Branche mehr Frauen geben.

Vielen Dank Frau Navidi, für dieses offene Interview. Wir sollten das demnächst einmal fortsetzen!
Ja gern!

Foto: Stefan Joham

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Anke Dembowski

Anke Dembowski ist Finanzjournalistin und Autorin verschiedener Investmentfonds- und anderer Finanzbücher. Sie ist außerdem Mit-Gründerin des Netzwerks „Fondsfrauen".

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