Wir Frauen können uns glücklich schätzen, denn aktuell leben wir in einer Zeit, in der wir mehr Wahlfreiheiten haben als je zuvor – aktuell wohl mehr als Männer.

Sie fragen sich, wo? Wir können beispielsweise bestimmen, ob wir durch eigene Berufstätigkeit selbst für unseren Lebensunterhalt sorgen oder lieber Hausfrau werden wollen – beides ist gesellschaftlich voll akzeptiert. Natürlich wird hier und dort über eine „Rabenmutter“, die ständig beruflich unterwegs ist, oder eine „Nur-Hausfrau“, die keinen bezahlten Job hat, die Nase gerümpft; aber das ist im Grunde nur Geplänkel. Gesellschaftliche Akzeptanz haben beide Lebensmodelle, und auch die unterschiedlichen Mittelwege, wie Teilzeitarbeit oder flexible Mitarbeit im Familienbetrieb.

Männer stehen unter stärkerem gesellschaftlichen Erwartungsdruck
Männer hingegen haben nicht ganz so viele Wahlfreiheiten – zumindest noch nicht mit voller gesellschaftlicher Akzeptanz: Es ist immer noch so, dass in den meisten Fällen der Mann durch seinen Job und das damit verbundene Gehalt den sozialen Status der Familie bestimmt. Scheitert er im Job (z.B. durch Kündigung, Krankheit, etc.), läuft die Familie Gefahr, ihren sozialen Status nicht mehr halten zu können. Schauen Sie sich mal morgens in Frankfurts City um: Dort sieht man so manchem Mann diesen Druck und diese Verantwortung an. Offenbar fühlen sich viele Männer wie ein Rennpferd, das im Startgatter der Galopprennbahn steht: Es hat nur die Wahl haben zwischen ganz schnell oder mittelmäßig rennen – aber rennen müssen sie in jedem Fall.

Wenn wir beim Bild des Galoppers bleiben: Wir Frauen können an den Start gehen oder nicht, können nur eine Teilstrecke mitlaufen oder einen etwas gemütlicheren Seitenpfad als die Rennstrecke nehmen – wir haben mehr Spielraum. Trotz aller Kritik an der Glasdecke, am Pay Gap oder an den uns Frauen ausschließenden Old-Boys-Networks sollten wir uns über diese Wahlfreiheit freuen – und sie nutzen.

Akzeptanz für individuelle Lebensmodelle anstreben
Womöglich sollten wir auch Männern dabei helfen, mehr Entscheidungsspielraum zu erhalten. Damit es z.B. gesellschaftlich besser akzeptiert wird, wenn der Mann sich um Kinder und Hausarbeit kümmert und die Frau Karriere macht. Laut Destatis war es 2014 in der Praxis noch so, dass von den berufstätigen Müttern mit Kindern unter 6 Jahren 24% in Elternzeit waren, während sich von den berufstätigen Vätern mit Kindern unter 6 Jahren nur 1,2% in Elternzeit befanden – und das, obwohl die Elternzeit zwischen den Elternteilen frei aufgesplittet werden kann. Wenn wir hier den Entscheidungsspielraum für Männer erhöhen, nützt das auch uns, denn dann können Familien und Paare noch individuellere Lebensmodelle finden, die zu ihnen passen und in denen jeder seine Stärken und Talente optimal einsetzen kann – das hätte dann auch einen volkswirtschaftlichen Nutzen.

Je länger ich hier in Frankfurt City im Café sitze und die Menschen beobachte, desto mehr Freiheiten, die wir Frauen genießen dürfen, werden mir bewusst: Frauen können entscheiden, ob sie heute lieber ein Kleid, ein Kostüm oder eine Hose anziehen, ob High Heels oder Loafer, ob bunt oder gedeckte Farben. Männern hingegen bleibt nur, zum weißen oder hellblauen Hemd zu greifen, und bankkarriere-taugliches Schuhwerk ist bei ihnen eng definiert. Dazu können Frauen unter hundert verschiedenen Frisuren diejenige wählen, auf die sie in dieser Saison Lust haben – auch hier ist die Palette der Möglichkeiten für Männer deutlich eingeschränkter.

Zum Glück können beide Geschlechter heute entscheiden, ob sie Kinder haben bzw. heiraten wollen oder nicht. Wir sollten nicht vergessen, dass hier vor nur 50 Jahren viel stärkere soziale Normen galten, die weitreichenden Einfluss auf die Karrierechancen und die gesellschaftliche Teilhabe hatten. Beispielsweise wurde einem Mann in den 60er Jahren nahegelegt zu heiraten, wenn er eine verantwortungsvolle Position erhalten wolle (verantwortungsvolle Positionen für Frauen waren damals ohnehin sehr eng gesät). Eine unverheiratete Frau galt damals als eine, die womöglich keinen abgekriegt hatte und eine Frau ohne Kinder als bemitleidenswert.

Wir sollten nicht nur aus dem Füllhorn der vielen Möglichkeiten schöpfen, sondern uns auch bemühen, andere Frauen bei der Wahl ihres Lebenswegs zu akzeptieren; sowohl die Frau, die eine gediegene Versorgungsehe anstrebt (warum eigentlich nicht?), als auch diejenige, die im Beruf Gas gibt oder jene, die mit einem Teilzeitjob Beruf und Familie unter einen Hut bringt. Sie alle machen letztlich nur Gebrauch von der enormen Wahlfreiheit, die wir heute haben. Vielleicht ist diese Wahlfreiheit auch das Geheimnis dafür, dass Frauen im Schnitt 7 Jahre länger leben als Männer – wer weiß?

Und letztlich: Ein Dank an all jene, die uns den Weg für diese Wahlfreiheiten geebnet haben!

 

Profilbild von Anke Dembowski

Anke Dembowski

Anke Dembowski ist Finanzjournalistin und Autorin verschiedener Investmentfonds- und anderer Finanzbücher. Sie ist außerdem Mit-Gründerin des Netzwerks „Fondsfrauen".

Förderer