Die Abgeltungsteuer wurde 2009 eingeführt und hat die Besteuerung von Kapitaleinkünften vereinfacht. Sie ist nun in Gefahr. Nicht, dass wir einer Steuer hinterherweinen würden, aber es zeichnet sich zumindest keine Verbesserung ab, im Sinne der Steuerzahler. Da wir alle die Steuerzahler sind – Frauen wie Männer – sprechen wir dazu mit Stefan Brähler, Spezialist für Vermögensstrukturierung mit Versicherungen.

Fondsfrauen: Herr Brähler, 2009 wurde die Abgeltungsteuer eingeführt. Seit einigen Monaten gibt es immer wieder Stimmen, diese wieder abzuschaffen. Wie wahrscheinlich erscheint das?
Stefan Brähler: Unseres Erachtens ist das keine Frage des „ob“ sondern nur eine Frage des „wann“. Bundesfinanzminister Dr. Schäuble weist immer wieder darauf hin, dass die Hintergründe, warum die Abgeltungsteuer eingeführt wurde, am Wegfallen sind. Das weiß er sicher besser als wir. Was uns aufhorchen lässt: Aus politischer Sicht spricht kaum etwas gegen eine Abschaffung. Die bestehende Günstigerbesteuerung von Kapitalvermögen gegenüber anderen Einkunftsarten ist gesellschaftlich verpönt, Steuereinnahmen werden immer gebraucht und eine solche Maßnahme kostet so gut wie keine Wählerstimmen.

Und was kommt stattdessen?
Denkbar wäre natürlich eine Rückkehr zur Verfahrensweise vor 2009. Allerdings ohne steuerfreie Spekulationsfrist, diesen Wunschgedanken halte ich für völlig abwegig. Wobei dieser Weg aus zwei Gründen fatal wäre: zum einen wird sich doch ernsthaft niemand– auch bei den Steuerbehörden – mit den damaligen hochkomplizierten Regeln wieder beschäftigen wolle. Denken Sie z. B. nur bei Aktienanlagen an die Berücksichtigung der auf Unternehmensebene gezahlten Steuern oder die Werbungskosten, wenn Sie mal zu einer Hauptversammlung gefahren sind. Immerhin ist die Abgeltungsteuer relativ einfach und nachvollziehbar. Zum anderen wäre das ein völlig falsches Signal.

Inwiefern wäre das ein falsches Signal?
Weil eine Einführung der komplizierten Regeln von früher den ohnehin vorhandenen Widerwillen gegen Aktien noch bestärken würde. Das wäre gerade für das Anlegerverhalten der Deutschen eine sehr schädliche Entwicklung. Die Folge wäre, dass ein noch größerer Anteil der Privatleute sein Heil in Zinspapieren sucht. Dabei ist damit derzeit kein Geld zu verdienen, der SPIEGEL titelte jüngst treffend „Ohne Zins und Verstand“. Mit sowenig Rendite müssen die Menschen viel zu viel Geld aufwenden, um auf ein auskömmliches Altersvorsorge-Polster zu kommen.

Die Abgeltungsteuer beträgt 25%, während die Arbeitseinkommen mit bis zu 42% versteuert werden. Ist die Kritik an der niedrigen Abgeltungssteuer dann nicht berechtigt?
Eine Anhebung der Abgeltungssteuer auf z.B. 40% würde eine Steuererhöhung von 60% bedeuten. Bei der ganzen Diskussion muss man aber auch berücksichtigen, dass Kapitalgesellschaften bereits der Körperschaftssteuer unterliegen und Gewerbesteuer zahlen, bevor eine Ausschüttung von Zinsen oder Dividenden an die Anleger erfolgt. Damit es hier nicht zu einer Doppelbesteuerung kommt, müsste man eben wieder Freibeträge bzw. Anrechnungsverfahren, Werbungskosten usw. einführen. Es würde also komplizierter und wesentlich aufwendiger – und damit auch teurer – für den Steuerzahler werden. Ohne Steuerberater wären die meisten Steuerzahler dann nämlich aufgeschmissen.

Welche Alternativen sind denn denkbar?
Denkbar wäre, einfach den Abgeltungssteuersatz zu erhöhen. Der ist ja in § 32d EStG auf 25 % festgelegt. Bei 35 % oder 40 % wäre Kapitalvermögen nicht mehr deutlich günstiger besteuert als z. B. normales Arbeitseinkommen. Vielleicht kommt zusätzlich noch eine Erhöhung der Freibeträge als Konzession für die Kleinsparer. Uns erscheint das wahrscheinlicher, denn das Ziel wäre mit minimalen Gesetzesänderungen erreicht. Und alles bliebe einfach; gerade die Prozesse der Finanzinstitute zur Ermittlung müssten nicht angepasst, sondern lediglich auf den neuen Steuersatz umgestellt werden. Der Zwang zu komplizierten Umstellungen hat den Gesetzgeber zwar noch selten von Gesetzesvorhaben abgehalten, aber eine einfache Steuersatzänderung hätte für die Regierung den Charme, dass sie kurzfristig umsetzbar ist, d. h. höhere Steuereinnahmen könnten quasi sofort fließen.

Welche Überlegungen sollte also der Anleger bzw. Sparer anstellen?
Bevor man über die steuerliche Optimierung der Erträge nachdenkt, sollte man zuerst sein Verhalten als Anleger analysieren. Das Kontensparen oder die Geldanlage in herkömmlichen Versicherungen oder der Kauf von Staatspapieren bringt kaum noch Rendite, sodass eine ständige schleichende Enteignung durch die Geldentwertung stattfindet. Die Flucht in hochverzinsliche Mittelstandsanleihen z.B. hat sich für viele Anleger als fatal erwiesen, wie die Pleiten von Prokon oder German Pellets zeigen. Insbesondere bei der Langfrist-Anlage sollte man das Rendite-Ziel nicht aus den Augen verlieren.

Was ist dann Ihre Empfehlung?
Wenn ich bedenke, dass 86 % der Deutschen keine Aktien oder Investmentfondsanteile besitzen, sollte man vielleicht seine Vorbehalte überdenken und sich von einem Fachmann – oder natürlich einer Fachfrau – entsprechend beraten lassen. Erst danach sollte die steuerliche Einordnung erfolgen.

Was verstehen Sie unter steuerlicher Einordnung?
Ich halte einen Ansparprozess bzw. einen Anlagevorgang innerhalb einer Fondspolice für sehr interessant. Auch eine Vermögensverwaltung in einer solchen Struktur bringt erhebliche Vorteile. Die Diskussion um die Abgeltungsteuer bzw. eine Steuererhöhung können Sie dann erst einmal vergessen, denn während der Laufzeit sind die Erträge steuerfrei und sie haben den bekannten Zinseszinseffekt und damit eine wesentlich höhere Rendite. Nach dem 62. Lebensjahr und 12 Jahren Laufzeit fällt nur der halbe persönliche Steuersatz auf die Erträge an, wenn Sie Geld aus der Struktur entnehmen. Wenn Sie das Geld zu Lebzeiten nicht benötigen, freuen sich Ihre Nachkommen, denn sie erben die kompletten Erträge steuerfrei.

Herr Brähler, ich danke Ihnen für das Gespräch!

(Foto: Pixabay)


Stefan BRÄHLERÜber den Interviewpartner:
Stefan Brähler ist Geschäftsführer der Confidema GmbH in Friedrichsdorf. Dort beschäftigt er sich mit der Strukturierung größerer Privatvermögen. Er ist spezialisiert auf den Einsatz steuer- und renditeoptimierender Versicherungsstrukturen für Wertpapiervermögen im Financial Planning und Asset Management.
Kontakt: braehler@confidema.de

 

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Anke Dembowski

Anke Dembowski ist Finanzjournalistin und Autorin verschiedener Investmentfonds- und anderer Finanzbücher. Sie ist außerdem Mit-Gründerin des Netzwerks „Fondsfrauen".

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